STREIT 4/2019
S. 163
HansOLG, § 1565 BGB
Härtefallscheidung bei Gewalt zwecks Aufrechterhaltung der Ehe
Ein von Gewaltanwendungen und Drohungen begleiteter Druck des Ehemanns zur Aufrechterhaltung der Ehe macht es der Ehefrau unzumutbar, das Trennungsjahr abzuwarten.
(Leitsatz der Redaktion)
Beschluss des Hanseatischen OLG vom 03.06.2019 – 2 UF 13/19
Zum Sachverhalt
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Ehe zu scheiden ist. Der Scheidungsantrag der Antragstellerin ist bereits seit dem 1.12.2014 rechtshängig. Ab Juli 2015 haben die Beteiligten einen Versöhnungsversuch unternommen. Mit Schriftsatz vom 6.6.2018 bat die Antragstellerin um Fortsetzung des Verfahrens. Der Zeitpunkt der Trennung der Eheleute ist ebenso streitig wie ihr Vorbringen zu den Gründen für eine eventuelle Härtefallscheidung.
Das Familiengericht hat das Vorliegen eines Härtefalls bejaht und mit dem angefochtenen Beschluss die Ehe geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt. Gegen diese Entscheidung, die dem Antragsgegner am 12.12.2018 zugestellt wurde, richtet sich seine […] Beschwerde.
Der Beschwerdeführer trägt vor: Die zweite Trennung der Eheleute sei erst im September 2018 anlässlich des (unstreitigen) Auszugs der Ehefrau aus der Ehewohnung erfolgt. […] Härtegründe lägen nicht vor, insbesondere habe der Beschwerdeführer seine Ehefrau zu keiner Zeit bedrängt oder geschlagen […].
Aus den Gründen:
Die Beschwerde ist zulässig […]. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Familiengericht die Voraussetzungen einer Härtefallscheidung bejaht. […]
Aufgrund der persönlichen Anhörung der Beteiligten ist das Beschwerdegericht davon überzeugt, dass der Antragsgegner der Antragstellerin am 24.02.2019 bei einem Streit anlässlich der Rückgabe der Kinder nach einem Umgangskontakt mit der flachen Hand heftig ins Gesicht geschlagen und ihr dadurch die auf den von der Antragstellerin eingereichten Fotos erkennbaren Verletzungen (Rötung/Schwellung der linken Wange und des Ohres) sowie Schmerzen zugefügt hat. Die Antragstellerin hat das Geschehen am 24.2.2019 glaubhaft und detailreich geschildert. Auf Einwände des Antragsgegners […] vermochte die Antragstellerin ihre Darstellung in stimmiger Weise zu erweitern […]. Die Darstellung der Antragstellerin, dass sich der Antragsgegner häufig unbeherrscht und bedrohlich verhalte, wird weiter gestützt durch den Krankenhausbericht vom 20.6.2017, der massiv aggressives und beleidigendes Verhalten des Antragsgegners gegenüber dem Krankenhauspersonal dokumentiert. […]
Plausibel sind weiter die Angaben der Antragstellerin, dass der Antragsgegner sie nach wie vor häufig anrufe und unter Drohungen versuche, sie zur Aufgabe ihrer Scheidungspläne zu veranlassen. Die Anhörung des Antragsgegners hat deutlich gemacht, dass er sich in der Vergangenheit seiner Frau gegenüber sehr eifersüchtig und dirigistisch verhalten hat (indem er sich beispielsweise beschwert hat, dass diese, wie er gesehen habe, mit anderen über Whatsapp kommuniziert, seine vielen Anrufe aber nicht beantwortet habe). Zugleich fällt es ihm erkennbar schwer, den Zustand der Ehe realistisch einzuschätzen; so führte er beispielsweise aus, er hoffe ‚bis zum heutigen Tag’ mit seiner Frau zusammen zu bleiben.
Der vom Antragsgegner ausgehende, von Gewaltanwendungen und Drohungen begleitete Druck zur Aufrechterhaltung der Ehe macht es für die Antragstellerin unzumutbar, das Trennungsjahr abzuwarten. Eine kurzfristige Scheidung ist erforderlich, um die Situation zu klären und eine nicht nur im Interesse der Antragstellerin, sondern auch und insbesondere der gemeinsamen Kinder der Beteiligten gebotene Stabilisierung der Lage herbeizuführen.