STREIT 4/2018
S. 155-159
Hans. OLG Hamburg, § 252 StPO, § 1 GewSchG, § 240 Abs. 4 S. 1 StGB, Art. 49 Abs. 2 Istanbul-Konvention
Kein Beweisverwertungsverbot des Antrags nach § 1 GewSchG
1.) Äußerungen, die eine Zeugin „aus freien Stücken”, unabhängig von einer Vernehmung gegenüber Amtspersonen macht, die sie z.B. um polizeiliche Hilfe bittet, werden nicht vom Beweisverwertungsverbot des § 252 StPO erfasst, wenn sie im Strafverfahren das Zeugnis verweigert. Dies gilt auch für Angaben, die im Antrag auf eine Schutzanordnung nach § 1 GewSchG gegenüber dem Familiengericht gemacht werden.
2.) Die Maßgaben aus Art. 46 ff. der Istanbul-Konvention erfordern eine – etwa auch im Wege der Strafrahmenbestimmung – abschreckende Sanktionierung der dem Anwendungsbereich der Konvention unterfallenden Straftaten. Daher ist ein unvertypter besonders schwerer Fall des § 240 Abs. 4 Satz 1 StGB anzunehmen, wenn der Täter das durch die Partnerschaft mit der Geschädigten begründete Vertrauensverhältnis bewusst ausgenutzt und seine körperliche Überlegenheit sowie die räumlichen Verhältnisse am Tatort eingesetzt und die hierdurch bestehende Unterlegenheit seines Tatopfers über einen nicht unerheblichen Zeitraum zur Begehung seiner Taten ausgenutzt hat.
3.) Die Ermittlungsbehörden sind zu einer unverzüglichen Beweissicherung durch Schaffung eines Beweissurrogats im Wege ermittlungsrichterlicher Vernehmung verpflichtet, wenn sich die Beweisführung im Strafverfahren absehbar maßgeblich auf eine zur Zeugnisverweigerung berechtigte Auskunftsperson stützen wird und die der Sachaufklärungspflicht unterstehende Tat (§ 264 StPO) nicht nur unerhebliche Bedeutung aufweist. Dies folgt bereits aus dem verfassungsrechtlich verbürgten Gebot, eine funktionstüchtige Strafrechtspflege zu gewährleisten, sowie aus Art. 3 EMRK und Art. 49 Abs. 2 der Istanbul-Konvention.
(Leitsätze der Redaktion)
Beschluss des Hans. OLG Hamburg vom 08.03.2018 – 1 Ws 114 – 115/17, 1 Ws 114/17, 1 Ws 115/17
Aus den Gründen
A.
Mit ihren Rechtsmitteln erstrebt die Staatsanwaltschaft eine antragsgemäße Eröffnung des Hauptverfahrens vor der Schwurgerichtskammer, den Erlass eines Haftbefehls gegen den Beschuldigten und die Aufhebung der durch das Landgericht angeordneten Entschädigung für erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen.
I. Sie wirft dem Angeklagten mit ihrer Anklageschrift vom 10. Oktober 2017 (6610 Js 73/17) einen versuchten Totschlag tateinheitlich begangen mit einer vorsätzlichen Körperverletzung und versuchten Nötigung zum Nachteil seiner Ehefrau, der Zeugin L., vor. Hiernach soll der Angeklagte sich am 11. Juli 2017 mit seiner Ehefrau in der gemeinsamen Wohnung in der Lstraße in Hamburg ab 13 Uhr lautstark wegen eines von ihm vermuteten, vorehelichen Intimverhältnisses seiner Ehefrau mit einem anderen Mann gestritten haben. Zunächst soll der Angeklagte seine Ehefrau aufgefordert haben, ihre Sachen zu packen und auszuziehen, sodann jedoch ihr gegenüber geäußert haben, dass es besser sei, „wenn sie tot“ sei. Im weiteren Verlauf der Auseinandersetzung soll der Angeklagte sie gegen den Kopf geschlagen, in den Bauch geboxt, mit Klebeband an den Händen gefesselt und ihren Mund damit zugeklebt und sie aufgefordert haben, einen Abschiedsbrief an ihre Eltern zu schreiben. Sodann soll er mit seiner Ehefrau das Badezimmer betreten und ihr angekündigt haben, dass sie nun sterben werde. Er soll die Badewanne mit Wasser gefüllt, seiner Ehefrau das Kleid ausgezogen, den Fön an die Steckdose angeschlossen und seine Ehefrau aufgefordert haben, sich in die Wanne zu setzen, wobei er hinzugefügt haben soll, dass er den Fön in die Wanne fallen lassen werde. Die Geschädigte ist jedoch aus dem Badezimmer und schließlich aus der Wohnung heraus geflüchtet, wo sie von Nachbarn versorgt wurde.
II. Die Ehefrau des Angeklagten, eine gebürtige Rumänin, hat im Laufe des Ermittlungsverfahrens wiederholt im Rahmen polizeilicher Vernehmungen Angaben zum Tatgeschehen gemacht; zu keinem Zeitpunkt wurde sie indes ermittlungsrichterlich einvernommen. Einen Tag nach der Tat hat sie beim Amtsgericht Hamburg-Bergedorf – Familiengericht – eine einstweilige Anordnung gegen den Angeklagten nach dem Gewaltschutzgesetz erwirkt und mit ihrem Antrag auch Schilderungen zum Tathergang vorgetragen. Später hat sie der Staatsanwaltschaft mitgeteilt, dass sie sich fortan auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen werde.
III. Der Angeklagte wurde bereits kurz nach der Tat am 11. Juli 2017 in seiner Wohnung festgenommen. Das Amtsgericht Hamburg hat gegen ihn am 12. Juli 2017 Haftbefehl wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung erlassen. Bis zu der in der Beschlussformel erwähnten Entscheidung des Landgerichts hat sich der Angeklagte in Polizei- und Untersuchungshaft befunden.
IV. Die Schwurgerichtskammer hat das Hauptverfahren vor dem „Amtsgericht Hamburg-Bergedorf“ eröffnet, soweit dem Angeklagten eine versuchte Nötigung vorgeworfen werde. Im Übrigen hat das Landgericht „die Eröffnung des Hauptverfahrens aus tatsächlichen Gründen abgelehnt“ (gemeint: innerhalb der angeklagten, einheitlichen prozessualen Tat einen hinreichenden Tatverdacht hinsichtlich weiterer Tatdelikte verneint), den Haftbefehl des Amtsgerichts Hamburg vom 11. Juli 2017 aufgehoben und dem Angeklagten für den durch den Vollzug der Untersuchungshaft entstandenen Schaden eine Entschädigung zugesprochen.
B.
Die sofortige Beschwerde gegen die vom Antrag der Staatsanwaltschaft abweichende Eröffnung vor dem Amtsgericht Hamburg-Bergedorf ist statthaft […].
I. Die Zuständigkeit des Landgerichts als Schwurgerichtskammer ist für die von ihm zugelassene prozessuale Tat (§ 264 StPO) nicht gegeben (§ 74 Abs. 2 GVG). Der Angeklagte ist keines versuchten Totschlags zum Nachteil seiner Ehefrau hinreichend verdächtig (§ 203 StPO). Ein hinreichender Tatverdacht ist anzunehmen, wenn bei vorläufiger Tatbewertung auf Grundlage des Ermittlungsergebnisses die Verurteilung in einer Hauptverhandlung mit vollgültigen Beweismitteln wahrscheinlich ist (vgl. statt aller nur Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 203 Rn. 2). In diese prognostische Prüfung sind auch Beweisverwertungsverbote einzubeziehen (BGH, Beschl. v. 1. Dezember 2016 – 3 StR 230/16 – NJW 2017, 1828, 1829 m.w.N.; ferner Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O.). Hiernach gilt:
1. Der Angeklagte hat wahrscheinlich mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt, als er sich mit seiner Ehefrau im Badezimmer befand und ihr ankündigte, dass sie nun durch einen Stromschlag in der Badewanne sterben werde.
a) Mit bedingtem Tötungsvorsatz handelt, wer den Eintritt des Todes als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt und billigend in Kauf nimmt […]. In die Prüfung sind dabei neben der objektiven Gefährlichkeit der Tathandlung und der konkreten Angriffsweise des Täters auch seine psychische Verfassung bei Tatbegehung und seine Motivationslage einzubeziehen (vgl. nur BGH, Urt. v. 16. Mai 2013 – 3 StR 45/13, NStZ-RR 2013, 242, 243).
b) Gemessen hieran belegt das Ermittlungsergebnis die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes. Der Angeklagte hatte die Zeugin bereits zuvor – außerhalb des Badezimmers – für den Fall, dass sie seinen Anweisungen nicht Folge leisten würde, mit dem Tod bedroht, sie körperlich misshandelt und gedemütigt. Vor diesem – örtlich und zeitlich gedrängten – Hintergrund hat er ihr im Badezimmer ihre Tötung als unmittelbar bevorstehend angekündigt und war im Begriff – bei laufendem Wasser – den Fön in die Hand zu nehmen und – nach seinem zuvor kundgegebenen Tatplan – die nunmehr auch noch unbekleidete und auch aus seiner Sicht vollkommen schutzlose Zeugin sogleich in die Badewanne zu verbringen.
c) Die dieser Bewertung zugrunde liegenden Tatsachen werden sich bereits erweisen lassen durch die gebotene Gesamtschau der zur Verfügung stehenden Zeugenaussagen. Die ursprünglich den Angeklagten durch ihre umfassenden Aussagen im Zuge polizeilicher Vernehmungen belastende Ehefrau hat zwar angekündigt, in der Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 Abs. 1 Nr. 2 StPO Gebrauch zu machen; dies hatte sie bereits kurz vor Abschluss des Ermittlungsverfahrens auch schon im Zuge von polizeilichen Nachvernehmungen getan. Somit ist hier bei der Prüfung der Verurteilungswahrscheinlichkeit sicher davon auszugehen, (vgl. hierzu MünchKomm-StPO/Wenske, § 203 Rn. 28 m.w.N.), dass die Zeugin auch im Rahmen der Hauptverhandlung das Zeugnis verweigern wird. 
Die Zeugin hatte, der vorstehenden Tatsachenschilderung entsprechende und mit den Wahrnehmungen der Zeugen P., Z. und F. in Teilen korrespondierende Angaben aber auch vor dem Familiengericht des Amtsgerichts Hamburg-Bergedorf gemacht, bei dem sie einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Schutzanordnung nach § 1 des Gesetzes zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen (Gewaltschutzgesetz – GewSchG, BGBl. 2001 I, S. 3513) gestellt hatte. Diese unterstehen nicht dem Beweisverwertungsverbot des § 252 StPO.
aa) Die von § 252 StPO vorgesehene Rechtsfolge eines Verlesungsverbots wird als allgemeines Beweisverwertungsverbot verstanden (vgl. nur BGH, Beschl. v. 4. Juni 2014 – 2 StR 656/13, NStZ 2014, 596 m.w.N. zur st. Rspr.; ausdrücklich offen gelassen hingegen zuletzt vom Großen Senat für Strafsachen, Beschl. v. 15. Juli 2016 – GSSt 1/16, BGHSt 61, 221, 230). Diese Rechtsfolge erstreckt sich indes nur auf solche Angaben, die der Zeugnisverweigerungsberechtigte im Rahmen einer Vernehmung vor der Hauptverhandlung getätigt hat.
Der Vernehmungsbegriff ist zwar weit auszulegen und erfasst – unabhängig davon, ob die Angaben förmlich protokolliert oder nur in einem internen Vermerk festgehalten werden – alle Bekundungen über wahrgenommene Tatsachen auf Grund einer offen von einem staatlichen Organ durchgeführten Befragung (BGH, Beschl. v 21. September 2004 – 3 StR 185/04, NJW 2005, 765, 766; LR/Sander/Cirener, 26. Aufl., § 252 Rn. 11 f. m.w.N.). Im Wege einer entsprechenden Anwendung der Norm sollen auch frühere vernehmungsbasierte Aussagen eines Zeugnisverweigerungsberechtigten in einem Zivilrechtsstreit erfasst sein (BGH, Urt. v. 2. Mai 1962 – 2 StR 132/62, BGHSt 17, 324, 327 f.; vgl. BGH, Urt. v. 20. März 1990 – 1 StR 693/89, BGHSt 36, 384, 388 f.; BGH, Urt. v. 25. März 1998 – 3 StR 686/97, NJW 1998, 2229, 2230), da sich ein Zeuge, der in einem Zivilrechtsstreit oder aber in einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit Aussagen zu machen hat, die geeignet sind, einen Angehörigen zu belasten, in einer Lage befindet, die derjenigen des Zeugen im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vergleichbar ist (vgl. BGH, Urt. v. 20. März 1990, a.a.O.; Urt. v. 25. März 1998, a.a.O.; vgl. ferner MünchKomm-StPO/Ellbogen § 252 Rn. 23 m.w.N.; Rogall in FS Otto, 2007, S. 973, 985 f.).
Unabhängig von der jeweils zugrunde liegenden Prozessordnung bleibt für eine Verwertung im Strafverfahren aber erkennbar stets maßgeblich, ob die Angaben des Zeugnisverweigerungsberechtigten im Zuge einer amtlich initiierten Vernehmung erfolgten (vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 20. März 1990 – 1 StR 693/89, BGHSt 36, 384, 387 f.; BGH Beschl. v 21. September 2004 – 3 StR 185/04, NJW 2005, 765, 766; ferner nur SSW-StPO/Kudlich/Schuhr, 3. Aufl. § 252 Rn. 9). 
Von § 252 StPO nicht erfasst sind daher Äußerungen, die der Zeuge unabhängig von einer Vernehmung – etwa gegenüber Privatpersonen – gemacht hat. Dies gilt gleichermaßen für Erklärungen gegenüber Amtspersonen, die er von sich aus außerhalb einer Vernehmung, etwa bei der Bitte um polizeiliche Hilfe, bei einer nicht mit einer Vernehmung verbundenen Strafanzeige (§ 158 StPO) oder aber bei sonstigen Verlangen nach behördlichem Einschreiten „spontan“ und „aus freien Stücken” abgegeben hat (BGH, Urt. v. 25. März 1998 – 3 StR 686/97, NJW 1998, 2229; hierzu ferner BGH, Urt. v. 30. Oktober 1951 – 1 StR 67/51, BGHSt 1, 373, 374 f.; BGH, Urt. v. 25. März 1980 – 5 StR 36/80, BGHSt 29, 230, 232; BGH, Urt. v. 20. März 1990 – 1 StR 693/89, BGHSt 36, 384, 389; BGH, Urt. v. 21. Juli 1994 – 1 StR 83, 94, BGHSt 40, 211, 215; BGH, Beschl. v. 6. Mai 1969 – 1 StR 57/69, GA 1970, 153, 154; BGH, Urt. v. 30. Juni 1988 – 1 StR 150/88, NStZ 1988, 561, 562 f.; ferner SK-StPO/Velten, 5. Aufl. § 252 Rn. 16).
bb) An einer Vernehmung fehlte es hier. Die Zeugin ersuchte im Wege eines privatautonomen und eigeninitiativ gestellten Antrags um den Erlass einer einstweiligen gerichtlichen Schutzanordnung nach § 1 GewSchG.
(1) Diese Schutzanordnung wird allein auf Antrag hin nach §§ 210, 214 Abs.1 Satz 1 FamFG in Verbindung mit den weiteren verfahrensrechtlichen Maßgaben aus §§ 26, 51 FamFG erwirkt. Schon begrifflich gibt es daher keine Übereinstimmung mit einem initialen und hoheitlichen Auskunftsverlangen (anders – allerdings ohne Begründung – zum Antragsvorbringen im Asylverfahren wohl SK-StPO/Velten, a.a.O.).
(2) Diese Auslegung wird bestätigt durch eine nähere Betrachtung des hier maßgeblichen Prozessrechts. Für einen formell ordnungsgemäßen Antrag sind die behaupteten Verletzungs- oder Bedrohungshandlungen im Einzelnen konkret nach Zeit, Ort, Beteiligten, Ablauf und Folgen schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle darzulegen (BeckOGK-BGB/Schulte-Bunert, Stand 1. Januar 2018, § 1 GewSchG Rn. 85; MünchKomm-BGB/Krüger, 7. Aufl., § 1 GewSchG Rn. 20) und nach § 51 Abs. 1 Satz 2 FamFG glaubhaft zu machen (vgl. Meyer-Götz/Niederl, Familienrecht, 4. Aufl., 2018, § 12 Rn. 17), um hierdurch eine Entscheidung nach Aktenlage zu ermöglichen. Das Gericht kann hierüber sodann ohne mündliche Verhandlung nach summarischer Prüfung entscheiden (§ 51 Abs. 2 Satz 2, § 31 FamFG; MünchKomm-FamFG/Erbarth, 2. Aufl., 2013, § 214 Rn. 4). Vor diesem prozessualen Hintergrund ist erkennbar, dass es noch nicht einmal zu einer Befragung des Antragstellers kommen muss.
(3) Etwas anderes folgt auch nicht aus der Sachaufklärungspflicht des für den Erlass der einstweiligen Schutzanordnung zuständigen Familiengerichts (§ 26 FamFG). Zwar soll die Tatsache, dass ein Zeuge von sich aus Kontakt zu einer Behörde aufnimmt, jedenfalls in den Fällen, in denen die staatliche Stelle von Amts wegen tätig werden muss, für sich allein nicht ohne weiteres ausreichen, um die Verwertbarkeit der entsprechenden Angaben zu begründen (BGH, Urt. v. 25. März 1998 – 3 StR 686/97, NJW 1998, 2229). So liegt es hier indes nicht. Denn das Familiengericht hatte – wie in aller Regel im Gewaltschutzverfahren (vgl. Götz, Familienrecht, 6. Aufl., § 214 Rn. 7) – allein aufgrund des schlüssigen Antragsvorbringens entschieden und damit aus sachlichen Gründen von einer vorherigen mündlichen Verhandlung und von einer Beweisaufnahme durch Vernehmung der Beteiligten (vgl. § 33 Abs. 1 FamFG) abgesehen.
(4) Für eine entsprechende Anwendung der Vorschrift auf Aussagen, die außerhalb von Vernehmungen getätigt wurden, ist kein Raum. Es fehlt für diese – mehrfach analoge – Anwendung schon an einer erkennbaren planwidrigen Regelungslücke. Der Rechtsprechung ist es daher versagt, den Konflikt zwischen Zeugeninteressen und dem legitimen Allgemeininteresse an der Aufklärung strafbarer Sachverhalte und an einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege (vgl. hierzu Landau, NStZ 2007, 121) zulasten der Allgemeinheit aufzulösen.
(5) Für diese Rechtsfrage ist erkennbar ohne jeden Belang, ob dem Familiengericht das Protokoll der polizeilichen Vernehmung der […] im Zeitpunkt ihrer Antragstellung vorgelegen hat. Die Zeugin hätte es gar zum Gegenstand ihres Antrags machen, sich hierauf beziehen oder als Mittel der Glaubhaftmachung vorlegen können. In keiner Weise hätte sich die Prozesserklärung im Gewaltschutzverfahren damit – auch nicht etwa normativ – zu einer Vernehmung gewandelt.
3. Der Angeklagte hat wahrscheinlich auch zur Tötung unmittelbar angesetzt. […]
4. Der Angeklagte ist allerdings nicht ausschließbar vom Tötungsversuch strafbefreiend zurückgetreten (§ 24 StGB). […]
II.
Sämtliche Taten, derer der Angeklagte hiernach noch hinreichend verdächtig ist, liegen in der Zuständigkeit des Strafrichters (§ 24 Abs. 1 GVG). Hierzu gilt im Einzelnen Folgendes:
1. Der Angeklagte ist jedenfalls einer vorsätzlichen Körperverletzung zum Nachteil seiner Ehefrau hinreichend verdächtig (§ 223 StGB), indem er sie geboxt, geschlagen und sodann mit einem Klebeband gefesselt hat. […] 
2. Der Angeklagte ist – entgegen der Auffassung des Landgerichts – ferner einer vollendeten Nötigung in einem besonders schweren Fall hinreichend verdächtig (§ 240 Abs. 1 und 4 StGB), indem er sie unter Androhung von Gewalt jedenfalls zwang, still zu sein und einen Abschiedsbrief zu schreiben. […]
b) Die Strafgewalt des Strafrichters wird sogar ausreichen, um die Strafe aus dem sich aufdrängenden Strafrahmen des § 240 Abs. 4 Satz 1 StGB zu entnehmen.
Die Annahme eines unbenannten besonders schweren Falls der Nötigung für das Deliktsphänomen der „häuslichen Gewalt“ (vgl. hierzu nur Art. 3 lit. b, 33, 45 f. des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frau und häuslicher Gewalt v. 11. Mai 2011 – Istanbul-Konvention –, umgesetzt in deutsches Recht durch Gesetz zu dem Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt BGBl. 2017 II, S. 1026 ff.; BT-Drucks. 18/12037, S. 47 f., 76 f.; hierzu Gerhold, JR 2016, 122, 124) ist regelmäßig begründet, wenn der Täter die durch körperliche oder räumliche Verhältnisse bedingte Unterlegenheit des Tatopfers über einen nicht unerheblichen Zeitraum zur Begehung seiner Tat ausnutzt oder mit dieser Tat die Demütigung oder die Erniedrigung seines ihm partnerschaftlich noch oder aber zuvor verbundenen Tatopfers erstrebt bzw. dieses in seinem Sinne gefügig machen will.
aa) Zur Herleitung dieses rechtlichen Maßstabs hat sich der Senat im Einzelnen von folgenden Erwägungen leiten lassen:
(1) Maßgebend für die Annahme eines unvertypten besonders schweren Falles ist – verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG, Beschl. v. 21. Juni 1977 – 2 BvR 308/77, BVerfGE 45, 363) – im rechtlichen Ausgangspunkt, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem Maße abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten ist (vgl. hierzu auch BGH, Urt. v. 29. November 1989 – 2 StR 319/89, NJW 1990, 1489). […] 
(2) In den Blick zu nehmen war daher zunächst das den – nach verschiedenen Reformgesetzen noch verbliebenen (vgl. MünchKomm-StGB/Sinn, 2. Aufl., § 240 Rn. 24 m.w.N.) – vertypten Strafschärfungsgründen erkennbar zu entnehmende Bestreben des Gesetzgebers, strukturell unterlegene Tatopfer zweier von ihm konkret benannter Tatsituationen besonders zu schützen. […]
(4) Dieses Normverständnis verschafft nicht zuletzt den Maßgaben aus Art. 46 ff. der Istanbul-Konvention (vgl. Uerpmann-Wittzack, FamRZ 2017, 1812, 1813 f.; Gerhold, JR 2016, 122, 124) Geltung. Denn jedenfalls durch die innerstaatliche Umsetzung der Konvention in Bundesrecht obliegt gerade auch den nationalen Behörden und Gerichten (vgl. BT-Drucks. 18/12037, S. 83) eine – etwa auch im Wege der Strafrahmenbestimmung – abschreckende Sanktionierung der dem Anwendungsbereich der Konvention unterfallenden Straftaten. Bei dieser ist namentlich der Umstand einer Tatbegehung durch den derzeitigen oder vormaligen (Ehe-)Partner zu berücksichtigen (vgl. BT- Drucks. 18/12037, S. 25, 82 f.).
bb) Nach alledem drängt sich eine Bestrafung des Angeklagten aus dem Strafrahmen des § 240 Abs. 4 Satz 1 StGB auf. Er hat das durch die Partnerschaft mit der Geschädigten begründete Vertrauensverhältnis bewusst ausgenutzt und seine körperliche Überlegenheit sowie die räumlichen Verhältnisse am Tatort eingesetzt und die hierdurch bestehende Unterlegenheit seines Tatopfers über einen nicht unerheblichen Zeitraum zur Begehung seiner Taten ausgenutzt.
(1) Der Geschädigten war es – für den Angeklagten ohne weiteres erkennbar – durch die Tatörtlichkeit der ehelichen Wohnung erschwert, sich den Gewalthandlungen des Angeklagten zu entziehen oder Dritte um Hilfe zu rufen.
(2) Der Angeklagte hat diese schon für sich zureichende Einschränkung der Verteidigungsmöglichkeiten seiner Ehefrau durch die Bedrohungshandlungen mit Gewalt – unter anderem einem Messer – sowie durch ihre zeitweilige Fesselung noch verstärkt.
(3) Dies gilt gleichermaßen für die von ihm betriebene massive Einschüchterung seiner Ehefrau durch den ihr abverlangten „Abschiedsbrief“ an ihre Eltern. Die hiermit verbundenen Todesdrohungen gehen deutlich über das vom Gesetzgeber abstrakt als unzureichend bezeichnete Tatunrecht einer einfachen Bedrohung nach § 241 StGB hinaus. Dies wird bereits durch die vorstehend beschriebenen Tatumstände belegt. Der Angeklagte nutzte erkennbar das die Ehe prägende und von ihm zu seinen Gunsten etablierte Machtverhältnis aus. Zur Verdeutlichung weist der Senat an dieser Stelle nur hin auf die im ausgewerteten Mobiltelefon des Angeklagten sichergestellten „Verhaltensaufforderungen“ im Rahmen zweier SMS-Nachrichten (SB Handyauswertung, Bl. 78 und 85):
„1. Wenn ich nervös bin, schweigst du.
2. Wenn ich anrufe oder schreibe, antwortest du.
3. Wenn wir ein Missverständnis haben, bleiben wir beim gleichen Thema bis wir es klären. Du suchst nicht die Schuld bei mir oder wechselst das Thema.
4. Streite nicht mit mir, niemals lasse ich dich gewinnen.
5. Willst du Ruhe im Haus, stelle keine dummen Fragen oder solche, von denen du weißt, dass sie mich aufregen und zu Streit führen.
6. Stelle nicht in frage, was ich sage, denn ich habe immer Recht. Ich bin erwachsener als du und kenne alles besser als du (…)“
Und:
„Dies war der letzte Versuch. Wenn du nicht um Verzeihung bittest, will ich dich nicht mehr vor meinen Augen sehen. Du weißt genau, was ich nicht akzeptiere. (...) Ich akzeptiere nicht, dass die Ehefrau nicht zuhause ist ... damit habe ich das Gespräch beendet.“
3. Abschließend bemerkt der Senat:
Die Ermittlungsbehörden sind zu einer unverzüglichen Beweissicherung durch Schaffung eines Beweissurrogats im Wege ermittlungsrichterlicher Vernehmung verpflichtet, wenn sich die Beweisführung im Strafverfahren absehbar maßgeblich auf eine zur Zeugnisverweigerung berechtigte Auskunftsperson stützen wird und die der Sachaufklärungspflicht unterstehende Tat (§ 264 StPO) nicht nur unerhebliche Bedeutung aufweist (vgl. Moldenhauer/Wenske, JA 2017, 860, 864).
a) Diese Verpflichtung folgt bereits aus dem verfassungsrechtlich verbürgten Gebot, eine funktionstüchtige Strafrechtspflege zu gewährleisten (vgl. Landau, NStZ 2007, 121). Die Verpflichtung aus Art. 3 EMRK verlangt im Übrigen, dass die Behörden und Gerichte der Konventionsstaaten von Amts wegen wirksame Ermittlungen über behauptete Misshandlungen durchführen, selbst wenn die Täter Privatpersonen sind (vgl. EGMR, Urt. v. 17. Dezember 2009 – 32704/04, Rn. 98 f., BeckRS 2014, 21153). Die hiernach gebotenen Untersuchungen werden dem erkennbar indes nur dann gerecht, wenn sie geeignet sind, den Sachverhalt festzustellen und zu einer Bestrafung der Verantwortlichen zu führen (EGMR, Urt. v. 28. Mai 2013 – 3564/11, NJOZ 2014, 1995). Unterbleibt daher eine sich nach den Umständen des Einzelfalles aufdrängende Beweissicherung, kann dies einen Konventionsverstoß begründen.
b) Gerade in Ermittlungsverfahren, die häusliche Gewalt zum Gegenstand haben, kann auch eingedenk des Art. 49 Abs. 2 der Istanbul-Konvention fortan auf eine ermittlungsrichterliche Beweissicherung grundsätzlich nicht mehr verzichtet werden. Bleibt in solchen Fällen wegen einer später das Zeugnis verweigernden Auskunftsperson – was dem Senat aus zahlreichen Verfahren bekannt ist (vgl. etwa Senatsbeschl. v. 6. Mai 2016 – 1 Ws 64/16) – eine umfassende Tataufklärung oder eine gerichtliche Verurteilung als Reaktion auf eine Gewalttat und damit eine sichtbare staatliche Reaktion aus, ist dies geeignet, das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des Rechtstaates tiefgreifend zu erschüttern.
c) In diesen Fällen kommt eine Ablehnung des staatsanwaltlichen Antrags auf Beweissicherung durch den Ermittlungsrichter nicht in Betracht. Nur er kann – als Garant und Sachverwalter auch einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege (vgl. BVerfG, Beschl. v. 16. Juni 2015 – 2 BvR 1849, 2718 u. 2808/11, BVerfGE 139, 245, 274 f.) – das zur Sicherung einer effektiven Strafverfolgung notwendige Beweissurrogat unverzüglich schaffen. […]