STREIT 2/2025

S. 81-85

SG Karlsruhe, Art. 13 GG, §§ 16a, 17, 36a SGB II

Kein Zutrittsrecht des Jobcenters zu Wohnräumen in Frauenhäusern

1. § 17 Abs. 2 SGB II stellt keine gesetzliche Ermächtigungslage für Träger der Grundsicherung nach dem SGB II dar, um Wohnräume in Frauenhäusern zu durchsuchen.
2. Das Jobcenter einer Zufluchtskommune kann die Kosten für die Unterbringung und Betreuung von Frauen und Kindern im Frauenhaus auch vom Jobcenter der Herkunftskommune gemäß § 36a SGB II erstattet verlangen, falls das Jobcenter der Zufluchtskommune mit dem örtlichen Frauenhaus nicht gemäß § 17 Abs. 2 SGB II vereinbart hatte, dass Mitarbeiter des Jobcenters Wohnräume des Frauenhauses betreten dürfen.

Urteil des SG Karlsruhe vom 17.09.2024, S 12 AS 1843/22

Aus dem Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten für die Unterbringung und Betreuung in einem Frauenhaus […]. Beide Beteiligte sind Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). […]
Bis einschließlich September 2021 gewährte der Beklagte als örtlich zuständiges Jobcenter Leistungen nach dem SGB II für Regelbedarf, Unterkunft und Heizung an […] Frau … und deren […] Kinder … sowie Frau …s Partner. Aus Furcht vor seinerseits ausgeübter körperlicher Gewalt flohen Frau … und ihre Kinder am 20.09.2021 aus ihrem Herkunftslandkreis und suchten bis 29.09.2021 Zuflucht im Frauenhaus in … […].
Am selben Tag beantragte Frau … die Übernahme der Kosten für Unterbringung und Betreuung im Frauenhaus in … bei der Klägerin. Diese stellte mit Bewilligungsbescheid vom 05.10.2021 gegenüber Frau … und ihren beiden Kindern fest, der dortige Aufenthalt im Frauenhaus sei erforderlich. Hierauf erwiderte der Beklagte am 12.10.2021, er lehne eine Erstattung der Kosten ab. Die Anspruchsvoraussetzungen seien nicht erfüllt. […] Die der vermeintlichen Zahlungspflicht zugrundeliegende vertragliche Vereinbarung genüge nicht den inhaltlichen Mindestanforderungen für Vereinbarungen zwischen Frauenhäusern und Jobcentern aus § 17 Abs. 2 SGB II. […] Deshalb hat die Klägerin […] Klage […] erhoben […].

Aus den Gründen:
Die zulässige Leistungsklage ist begründet.
Das Gericht muss den Beklagten verurteilen, der Klägerin 1.753,20 € zu zahlen. Dieser Kostenerstattungsanspruch besteht wegen des Aufenthalts von A … und ihren zwei Kindern im Ökumenischen Frauenhaus … vom 20.09.2021 bis 29.09.2021 gemäß § 36 a SGB II. […]

Eine Kostenerstattungspflicht scheidet vorliegend auch nicht deshalb aus, weil keine wirksame Pflicht zur Leistungsvergütung aufgrund der zwischen der Klägerin und dem Ökumenischen Frauenhaus in … geschlossenen Vereinbarung […] bestand. Umgekehrt verstößt die Vereinbarung der Klägerin mit dem Frauenhaus nicht gegen die gesetzlichen Anforderungen hieran aus § 17 Abs. 2 SGB II. Nach dieser Vorschrift sind die Träger der Leistungen nach dem SGB II nur zur Vergütung für die Leistung verpflichtet, wenn mit dem Dritten oder seinem Verband eine Vereinbarung besteht insbesondere über

  • Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen (Nr. 1),

  • die Vergütung, die sich aus Pauschalen und Beträgen für einzelne Leistungsbereiche zusammensetzen kann (Nr. 2) und

  • die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen (Nr. 3).

Bei der inhaltlichen Überprüfung des Mindestregelungsgehalts nach § 17 Abs. 2 SGB II ist zu beachten, dass an eine solche Vereinbarung keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen, denn nach § 17 Abs. 1 SGB II sollen keine neuen Einrichtungen geschaffen werden, soweit geeignete Einrichtungen vorhanden sind (Satz 1), die Träger der freien Wohlfahrtspflege sollen angemessen unterstützt werden (Satz 2) und dieser Zielsetzung würden zu strenge Anforderungen an den Inhalt der (teilweise bereits bestehenden) Vereinbarungen zuwiderlaufen (LSG Baden-Württemberg Urteil vom 08.05.2015 – L 12 AS 1955/14 –).
Gemessen an diesem Beurteilungsmaßstab begegnen die vorliegenden Vereinbarungen […] keinen rechtlichen Bedenken des angerufenen Gerichts. […]
Schließlich ist das erkennende Gericht auch nicht der Rechtsauffassung, die Vereinbarung vom … wäre hinsichtlich der Prüfung von Qualität (in § 4 Abs. 1) und der Wirtschaftlichkeit (in § 4 Abs. 2) zu unbestimmt geblieben. Die dortigen Regelungen genügen den sich aus § 17 Abs. 2 SGB II ergebenden Anforderungen.
Eine hinreichende Qualitätskontrolle ist mithilfe der Vorlage von Sozialberichten möglich, die bei Bedarf bzw. spätestens nach drei Monaten vorzulegen sind und Angaben zur Situation aller Frauenhausbewohner, zu Entwicklungen und Perspektiven sowie zur Notwendigkeit der Aufnahme und Betreuung im Frauenhaus enthalten. Ebenso ist eine hinreichende Wirtschaftlichkeitskontrolle möglich mithilfe betriebswirtschaftlicher Unterlagen einschließlich der Personalkostenblätter, die im Rahmen der regelmäßigen Fortschreibungen des Tagessatzes vorzulegen sind, um dessen Höhe zu begründen.

Der Beklagte verkennt insofern, dass es aufgrund des ungleichen Machtgewichts zwischen der Klägerin einerseits und der Trägerin des Frauenhauses andererseits keiner weitergehenden Sicherungsmechanismen zugunsten der Klägerin bedurfte.
Als Frauenhaus ist der Vereinbarungspartner nach §§ 36a, 17 Abs. 2 SGB II nämlich wirtschaftlich faktisch einseitig abhängig vom Wohlwollen des Trägers der Grundsicherung nach dem SGB II. Die Bewohnerinnen eines Frauenhauses und deren Kinder sind nämlich regelmäßig dem Rechtskreis der Jobcenter zuzuordnen. Nur ausnahmsweise sind sie selbst in der Lage, die Kosten ihrer Unterbringung und Betreuung dort selbst zu tragen. Und nur in Einzelfällen sind sie (entweder so alt bzw.) bereits erwerbsunfähig, sodass der Träger nach dem SGB XII die Kosten der Leistungen eines Frauenhauses anstelle des örtlichen Jobcenters trägt. Die wirtschaftliche Existenzgrundlage von Frauenhäusern beruht deshalb darauf, dass das örtlich zuständige Jobcenter die Leistungen der Frauenhäuser und deren Mitwirkung bei der Prüfung ihrer Qualität und Wirtschaftlichkeit als so gut beurteilt, dass es sich entschließt:

  • im jeweiligen Einzelfall aufgrund der Lektüre des Sozialberichts die Eignung einer erstmaligen oder weiteren Unterbringung einer bestimmten Person im Frauenhaus … als zweckförderlich anzusehen und deswegen die Erforderlichkeit der Leistungserbringung dem Grunde nach zu bejahen und diese zu bezahlen, und

  • aufgrund der (vom Frauenhaus zur Begründung einer von ihm gewünschten Erhöhung der Tagessätze) eingesehenen betriebswirtschaftlichen Unterlagen die Erforderlichkeit der darin genannten Ausgaben bejaht und deswegen der Fortschreibung der Vergütungspauschalen zustimmt, und

  • eine Vereinbarung mit einem Frauenhaus nach §§ 17, 36a SGB II nach deren Zeitablauf zu verlängern, weil es das Zutrauen in die hinreichende Zuverlässigkeit der Leistungserbringung seitens des Frauenhauses behalten hat.

Kurzum: im Rahmen eines derartigen Machtgefälles wie es zwischen einem Frauenhaus und einem Jobcenter besteht, bedarf das Jobcenter keiner aufwendigen Sicherungsmechanismen, um die Mitwirkung des Frauenhauses bei der Prüfung von Qualität und Wirtschaftlichkeit sicherzustellen. Denn das Jobcenter kann einfach den Geldhahn ganz oder teilweise, vorläufig oder endgültig zudrehen, was beiden Vereinbarungspartnern jederzeit bewusst ist in Kenntnis der gegebenen rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.

In Anbetracht dessen muss eine Vereinbarung nach §§ 17 Abs. 2, 36a SGB II auch keine Vorkehrungen dafür treffen, wie das Jobcenter überprüft, ob das Frauenhaus seine Leistungen tatsächlich gar nicht (oder in Ansehung der für jeden Unterbringungsfall mindestens dreimonatlich vorzulegenden Sozialberichte in ungenügender Qualität) erbringt. Denn anlässlich etwaiger Zweifel an der (Qualität der) Leistungserbringung, hätte das Frauenhaus selbst ein unmittelbares Eigeninteresse daran, diesbezügliche Zweifel des Jobcenters schnellstmöglich und restlos zu beseitigen, damit das Jobcenter als sein Hauptgeldgeber die Kostenübernahme für Unterbringung und/oder Betreuung unter Hinweis auf die hypothetisch nicht vereinbarungsgemäße bzw. nicht konzeptionsgemäße Leistungserbringung einstellt. Denn gegebenenfalls müsste das insofern beweisbelastete Frauenhaus seine Zahlungsforderungen gegen das Jobcenter unter Nachweis einer ordnungsgemäßen Leistungserbringung gegen das Jobcenter erst vor dem Sozialgericht durchsetzen, wobei derartige Rechtsstreitigkeiten so zeitaufwendig, kostenintensiv und risikobehaftet wären, dass die Fragen nach einer Insolvenz bzw. Schließung des Frauenhauses alsbald im Raum stünden.

Das erkennende Gericht übersieht bei alldem nicht, dass der 7. Senat des LSG NRW mit Urteil vom 16.02.2017 im Verfahren L 7 AS 1299/15 inhaltliche Anforderungen an Vereinbarungen nach § 17 Abs. 2 SGB II aufgestellt hat, welchen die im Verfahren S 12 AS 1843/22 streitbefangene Vereinbarung offenkundig nicht erfüllt. Dies ist aber unschädlich. Die vom 7. Senat des LSG NRW richterrechtlich ersonnenen vermeintlich obligatorischen Inhaltsanforderungen an Vereinbarungen zwischen Jobcentern und Frauenhäusern sind ausnahmslos entweder verfassungswidrig oder überflüssig.
Die Rechtsprechung des LSG NRW vom 16.02.2017 im Verfahren L 7 AS 1299/15 hält selbst einfachsten verfassungsrechtlichen Erwägungen nicht ansatzweise stand. Offenkundig existiert die landessozialgerichtlich postulierte Pflicht des Jobcenters nicht, sich gegenüber dem Frauenhaus in seinem örtlichen Zuständigkeitsbereich im Wege der Vereinbarung nach § 17 Abs. 2 SGB II ein Zutrittsrecht für Jobcentermitarbeiter zum Zwecke der Qualitätsprüfung zu verschaffen. Gerade Frauen, die vor häuslicher Gewalt in einer fremden Umgebung Zuflucht nehmen, sind besonders schutzbedürftig in Bezug auf ihr Grundrecht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 des Grundgesetzes. Selbstverständlich dürfte ein Jobcentermitarbeiter daher ohne einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss nicht die Wohnräume eines Frauenhauses betreten. Erst recht darf ein Landessozialgericht Jobcentern nicht auferlegen, derartig eklatant verfassungswidrige Zutrittsrechte in öffentlich-rechtliche Vereinbarungen aufnehmen zu müssen.

Derartige Vereinbarungen zulasten der Unverletzlichkeit der Wohnräume der Frauen und Kinder in Frauenhäusern wären evident verfassungswidrig. Im Einzelnen:
aa) Der Grundrechtsbegriff der „Wohnung“ ist weit auszulegen, denn er schützt diejenige räumliche Sphäre, in der sich das Privatleben entfaltet (BVerfG, Urteil vom 27. Februar 2008 – 1 BvR 370/07 –, BVerfGE 120, 274-350, Rn. 4), wobei jeder Grundrechtsträger des Art. 13 Abs. 1 GG ist, der Bewohner eines Wohnraums ist, und zwar unabhängig davon, auf welchen Rechtsverhältnissen die Nutzung des Wohnraums beruht (Burghart in: Leibholz/Rinck, Grundgesetz Kommentar, 92. Lieferung, 5/2024, Art. 13 GG, Rn. 14). Die Wohnräumlichkeiten eines Frauenhauses sind also von Art. 13 GG geschützt. Art. 13 Abs. 1 GG enthält das an Träger der öffentlichen Gewalt gerichtete grundsätzliche Verbot, gegen den Willen des Wohnungsinhabers in die Wohnung einzudringen (BVerfG, Urteil vom 3. März 2004 – 1 BvR 2378/98 –, BVerfGE 109, 279-391). Art. 13 Abs. 1 GG verbürgt dem Einzelnen mit Blick auf die Menschenwürde sowie im Interesse der Entfaltung der Persönlichkeit einen elementaren Lebensraum, in den nur unter den Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 2 und 3 GG eingegriffen werden darf (BVerfG, Beschluss vom 12. März 2019 – 2 BvR 675/14 –, BVerfGE 151, 67-97). Art. 13 GG gewährt einen absoluten Schutz des Verhaltens in den Wohnräumen, soweit es sich als individuelle Entfaltung im Kernbereich privater Lebensgestaltung darstellt. Für diese benötigt jeder Mensch ein räumliches Substrat, in dem er für sich sein und sich nach selbstgesetzten Maßstäben frei entfalten, also die Wohnung bei Bedarf als „letztes Refugium“ zur Wahrung seiner Menschenwürde nutzen kann (BVerfG, Beschluss vom 1. Dezember 2020 – 2 BvR 916/11 –, BVerfGE 156, 63-182).
bb) Wenn (nicht nur Büroräume, sondern gerade auch) die Wohnräume in Frauenhäusern untergebrachter Frauen und Kinder vom Personal des Jobcenters zu Inspektionszwecken betreten werden sollen, stellte dieser Grundrechtseingriff verfassungsrechtlich eine „Durchsuchung“ im Sinne von Art. 13 Abs. 2 GG dar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 1971 – 1 BvR 280/66 –, BVerfGE 32, 54-77). Nach dieser Verfassungsvorschrift dürfen Wohnungsdurchsuchungen aber nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.
cc) § 17 Abs. 2 SGB II stellt keine gesetzliche Ermächtigungslage für Träger der Grundsicherung nach dem SGB II dar, um Wohnräume in Frauenhäusern zu durchsuchen.
Eine derart extensive Auslegung der Norm wäre nicht verfassungskonform. Sie verletzte Art. 20 GG. Sie verstieße nämlich gegen das Demokratieprinzip, gegen den Parlamentsvorbehalt, das Bestimmtheitsgebot und die Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. September 2018 – 2 BvF 1/15 –, BVerfGE 150, 1-163).
Der Gesetzgeber hat wegen der fraglichen Grundrechtseingriffe und deren Reichweite in § 17 Abs. 2 SGB II nämlich nicht die wesentlichen Wertentscheidungen selbst getroffen. Die Norm lässt vielmehr vollkommen offen, ob, wann und wie Jobcenter in die Unverletzlichkeit der Wohnräume von Frauen und Kindern in einem Frauenhaus im Wege ihrer Durchsuchung eingreifen dürfen, um die Leistungserbringung des Frauenhauses zu kontrollieren. Wegen des Demokratieprinzips, des Parlamentsvorbehalts, des Bestimmtheitsgebots und der Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts hätte der Gesetzgeber in § 17 Abs. 2 SGB II aber konkret festschreiben müssen, dass Jobcenter bei Gefahr im Verzug anordnen dürfen, dass ihre Mitarbeiter die Wohnräume in Frauenhäusern durchsuchen dürfen, um dort die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung durch das Frauenhaus zu prüfen. Zudem hätte der Gesetzgeber auch die Form der Wohnungsdurchsuchung in § 17 Abs. 2 SGB II selbst detailliert regeln müssen. Dergleichen gibt der Wortlaut der Norm von § 17 Abs. 2 SGB II aber nicht ansatzweise her. Ein diesbezüglicher Ermächtigungswille des Gesetzgebers ist nicht ersichtlich. Der Gesetzgeber bezweckte bei dem Erlass von § 17 Abs. 2 SGB II gerade nicht die Regelung der unverzüglichen Abwehr irgendwelcher konkreter Gefahren. Vielmehr hatte er die langfristige Organisation der Verwaltungszusammenarbeit von Jobcentern und Trägern der freien Wohlfahrtspflege im Wege öffentlich-rechtlicher Verträge im Auge.
dd) Da es im Ergebnis weder § 17 Abs. 2 SGB II noch ein sonstiges Parlamentsgesetz Mitarbeitern des Jobcenters gestatten, Frauenhäuser für Qualitätsprüfungen zu betreten, bedürfte es hierfür also (selbst im hypothetischen Ausnahmefall einer „Gefahr im Verzug“ immer) auch eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses, um die Wohn- und Gemeinschaftsräume eines Frauenhauses als Jobcenter betreten zu dürfen. Allein aufgrund einer im Wege der Vereinbarung nach § 17 Abs. 2 SGB II vorab generell erteilten Einwilligung des Frauenhauses dürften hingegen unter keinen Umständen die Wohnräume der Frauenhäuser vom Jobcenter betreten werden, bis ein Richter eine derartige Durchsuchung unter Berücksichtigung der Grundrechte der Frauen anordnet.

Nach alldem steht es also wegen Art. 13 Abs. 1 und 2 GG nicht in der Rechtsmacht von Jobcentern und Frauenhäusern, über die Köpfe der Bewohner:innen des Frauenhauses hinweg, zu vereinbaren, dass deren Wohnräume von Jobcentermitarbeitern betreten werden dürfen. Ein derartiger hypothetischer Vereinbarungsinhalt zulasten Dritter wäre demnach völlig ungeeignet, eine Qualitätsprüfung i. S. d. § 17 Abs. 2 Nr. 3 SGB II in verfassungskonformer Weise zu ermöglichen. Eine ungeeignete Regelung zur Einräumung eines wegen der Grundrechte Dritter ohnehin nicht einräumbaren Zutrittsrechts darf und muss das Jobcenter mit dem Frauenhaus in seinem Zuständigkeitsbereich aber nicht vereinbaren.
Entgegen der verfassungswidrigen Rechtsprechung des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen trifft kein Jobcenter einer Zufluchtskommune die Obliegenheit, mit dem örtlichen Frauenhaus ein behördliches Zutrittsrecht für die Wohnräume in jene Vereinbarung nach § 17 Abs. 2 SGB II i. V. m. § 36a SGB II aufzunehmen, welche die Übernahme der Unterbringungs- und Betreuungskosten durch Jobcenter für Frauenhäuser regelt. Umgekehrt gilt: Das Jobcenter einer Zufluchtskommune kann die Kosten für die Unterbringung und Betreuung von Frauen und Kindern im Frauenhaus auch vom Jobcenter der Herkunftskommune gemäß § 36a SGB II erstattet verlangen, falls das Jobcenter der Zufluchtskommune mit dem örtlichen Frauenhaus nicht gemäß § 17 Abs. 2 SGB II vereinbart hatte, dass Mitarbeiter des Jobcenters Wohnräume des Frauenhauses betreten dürfen.

Überflüssig sind auch die weiteren, vom LSG NRW als vermeintlich obligatorisch ersonnenen Inhalte der Vereinbarung nach § 17 Abs. 2 SGB II i. V. m. § 36a SGB II: es erschließt sich nicht, warum das Jobcenter in jeder Vereinbarung mit einem Frauenhaus verbindlich vereinbaren müssen sollte, „welches Buchführungssystem verwendet wird“ und „welche Konsequenzen sich aus unwirtschaftlichem Verhalten ergeben“ (a. A. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16. Februar 2017 – L 7 AS 1299/15 –, Rn. 34, juris). Es ist kein hinreichender Grund ersichtlich, warum ein Jobcenter mit einem Frauenhaus im Voraus abstimmen müsste, welches der zahlreichen am freien Markt erhältlichen Buchhaltungsprogramme ein Frauenhaus benutzt, um Einnahmen und Ausgaben strukturiert zu erfassen. Es reicht, wenn das Frauenhaus eigenverantwortlich ein Buchführungssystem auswählt und die hiermit generierten betriebswirtschaftlichen Auswertungen dem Jobcenter zur Wirtschaftlichkeitsprüfung vorlegt.
Auch die möglichen Konsequenzen aus einem unwirtschaftlichen Verhalten des Frauenhauses müssen nicht eigens in der Vereinbarung nach §§ 17, 36a SGB II genannt werden. Sie liegen wegen des rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmens auf der Hand. Als Konsequenz steht es dem Jobcenter erkennbar frei, von den vereinbarungsgemäßen Gestaltungsmöglichkeiten gegenüber dem Frauenhaus Gebrauch zu machen, falls dieses zu wenig Compliance bei der Prüfung der Qualität und Wirtschaftlichkeit an den Tag legen sollte. Ggfs. könnte das Jobcenter nach behördlichem Ermessen in einem ersten bzw. zweiten Schritt die Fortschreibung der Tagessätze für die Leistungserbringung vorläufig und/oder endgültig ablehnen oder in einem dritten bzw. vierten Schritt die Vereinbarung nach § 17 Abs. 2 SGB II mit dem Frauenhaus ohne Anschlussvereinbarung auslaufen lassen und/oder sie vorab fristgemäß kündigen.
Insgesamt entspricht die im vorliegenden Rechtsstreit S 12 AS 1843/22 von der Klägerin am … getroffene Vereinbarung den Anforderungen von § 17 Abs. 2 SGB II. Die Klägerin macht daher im Ergebnis die Erstattungsforderung gegenüber dem Beklagten dem Grunde nach zurecht geltend. Die von ihr berechnete Höhe der Erstattungssumme ist vom Beklagten nicht beanstandet worden. Sie begegnet auch keinen Bedenken des Gerichts. […]