STREIT 3/2024
S. 99-104
Legalisierung der Eizellspende – ein feministisches Statement (dagegen)
Über Jahrzehnte wurden der reproduktiven Selbstbestimmung und der Fortpflanzungsmedizin kaum rechtspolitische Aufmerksamkeit gewidmet. Der überwiegende Teil der Gesellschaft schien sich mit den Regelungen abgefunden zu haben: Der Schwangerschaftsabbruch gilt als rechtswidrig, ist aber unter gewissen Bedingungen straffrei; Eizellspende und Leihmutterschaft sind ausnahmslos verboten.
Aktuell scheint aber Bewegung in die politische Diskussion zu kommen. Die Bundesregierung hat – wie im Koalitionsvertrag festgelegt1 – eine Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin eingesetzt, die Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches sowie Möglichkeiten zur Legalisierung der Eizellspende und der altruistischen Leihmutterschaft geprüft hat. Im April 2024 hat diese Kommission ihren Bericht vorgelegt.2 Die Kommission war in zwei Arbeitsgruppen aufgeteilt, die sich getrennt voneinander mit den beiden genannten Unterthemen beschäftigten. Sie hat einen umfangreichen Bericht vorgelegt, der über 500 Seiten umfasst. Der Kommission gehörten insgesamt 18 Mitglieder an, davon 15 Frauen und 3 Männer, die Arbeitsgruppe zum Schwangerschaftsabbruch war sogar ausschließlich mit Frauen besetzt. Dass dies nicht auf ungeteilte Freude stieß, ist wenig überraschend, immerhin schön zu sehen, dass Geschlechterparität manchmal auch in den Blick der Konservativen gerät.
Im Hinblick auf den Schwangerschaftsabbruch spricht sich die Kommission klar für eine Rechtsänderung, insbesondere in der frühen Phase der Schwangerschaft aus. In dieser müsse der Schwangerschaftsabbruch rechtmäßig (und straflos) sein; für die späteren Phasen sieht die Kommission einen größeren Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Im Hinblick auf Eizellspende und altruistische Leihmutterschaft gibt die Kommission hingegen keine rechtspolitische Empfehlung ab. Weder fordert sie zwingend, das bisherige Verbot beizubehalten, noch ermuntert sie den Gesetzgeber zu einer Änderung. Sie nennt lediglich eine Reihe von Bedingungen, denen eine etwaige Liberalisierung genügen müsste. Der Ball ist damit in die politische Arena zurückgespielt.
Erste politische Reaktionen machen deutlich, dass im Hinblick auf eine Regelung des Schwangerschaftsabbruchs vermutlich nichts geschehen wird. Ausgerechnet die FDP hat erklärt, dass sie es bei der bisherigen Regelung belassen will – ein weiteres Beispiel für eine eklatant patriarchale Deutung liberaler Grundsätze. Für Feminist*innen ist dies ein ausgesprochen enttäuschendes Ergebnis. Allein eine Zulassung von Eizellspende und altruistischer Leihmutterschaft scheint noch in dieser Legislaturperiode möglich. Kann eine Liberalisierung im Bereich der Reproduktionsmedizin über die Enttäuschung hinwegtrösten, dass Frauen weiter die Verfügung über den eigenen Körper entzogen wird?
Einige Feminist*innen sehen in der Liberalisierung der Fortpflanzungsmedizin in der Tat einen Gewinn. Jüngst hat beispielsweise der Deutsche Juristinnenbund (djb) in einem Policy Paper gefordert, das Verbot der Eizellabgabe3 aufzuheben.4
In diesem Beitrag wird die gegenteilige Position eingenommen. Nach meiner Auffassung gibt es zahlreiche Gründe, die – auch aus feministischer Perspektive – gegen eine Liberalisierung der Eizellspende sprechen; für die Ablehnung einer Zulassung der Leihmutterschaft gelten diese in potenziertem Maße (und kommen weitere hinzu). Freilich gibt es auch Argumente gegen eine Liberalisierung, die nicht tragen; mit einem solchen soll begonnen werden.
I Gespaltene Mutterschaft
Bei der Schaffung des Embryonenschutzgesetzes hatte der Gesetzgeber das Verbot von Eizellspende und Leihmutterschaft noch mit den Risiken einer „gespaltenen Mutterschaft“ begründet, die die Identitätsfindung des Kindes erheblich erschweren könne.5 Es mag dahingestellt bleiben, ob eine solche Befürchtung im Jahr 1990 begründet war. Angesichts dessen, dass die Entwicklung der Reproduktionsmedizin noch am Anfang stand, lag die Abwehr befürchteter Risiken möglicherweise noch im Rahmen der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers. Heute aber kann die gespaltene Mutterschaft ein Verbot der Eizellspende nicht mehr tragen; es gibt keine wissenschaftlichen Belege dafür.6
Die besondere Sorge um gespaltene Mutterschaft ist Feminist*innen ohnehin suspekt; eine Spaltung von sozialem und genetischem Vater scheint ähnliche Befürchtungen nicht auszulösen (sonst wäre auch die Samenspende problematisch). Die Überfrachtung des Konzepts von Mutterschaft kennzeichnet gerade die traditionelle Geschlechterordnung. In Deutschland ist die Überhöhung der Mutterrolle besonders sichtbar.7 Beispielsweise beschrieb das Bundesverfassungsgericht in einer frühen Entscheidung die Mutterschaft als den „Bereich“, in dem das „Wesen“ der Frau „am tiefsten wurzelt und sich entfaltet“.8 Noch heute führt dies dazu, dass – vor allem in Westdeutschland – eine Betreuung (kleiner) Kinder durch andere Personen als die Mutter von vielen abgelehnt wird. Unzureichende Kinderbetreuungseinrichtungen, einer der wesentlichen Faktoren, der tatsächliche Gleichberechtigung verhindert, sind die Folge.
II Reproduktive Rechte – zwei Seiten einer Medaille?
Die Forderung nach reproduktiver Freiheit war von Anfang an ein zentrales Thema der Frauenbewegung. In den 1970er Jahren bezog sich die Diskussion um reproduktive Rechte allein auf den Schwangerschaftsabbruch, also das Recht, kein Kind auszutragen, wenn frau dazu nicht bereit war. Der Slogan „Mein Bauch gehört mir“ bringt die damaligen Kämpfe treffend zum Ausdruck. Heute werden vielfach unter der Rubrik reproduktive Rechte auch mögliche Rechte auf ein Kind gefasst: als negative und positive Seite reproduktiver Rechte. Mit dieser Terminologie wird insinuiert, dass Feminist*innen auch für möglichst große Freiheit im Umgang mit Reproduktionsmedizin eintreten müssen: Es könnte widersprüchlich erscheinen, für negative reproduktive Rechte zu kämpfen und „positive Rechte“ abzulehnen.
Fraglich ist aber, ob das Bild der zwei Seiten einer Medaille wirklich passt. Der schlichte Verweis darauf, dass es der Frauenbewegung in den 1970er Jahren nur um die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs ging, reicht freilich zur Widerlegung nicht aus, da damals die medizinische Entwicklung noch nicht soweit war: Das erste nach in-vitro-Fertilisation erzeugte „Retortenbaby“, Louise Brown, wurde erst im Jahr 1978 geboren. Umgekehrt reicht aber natürlich allein die Titulierung als positive und negative Rechte unter einem gemeinsamen Oberbegriff nicht aus, um auch inhaltlich zu begründen, dass es sich um eine Frage handelt, in der Feminist*innen nur mit einer Stimme sprechen können.
Aus meiner Perspektive ist die Rede von der reproduktiven Freiheit irreführend, denn es geht um völlig unterschiedliche Fragestellungen. Einmal geht es um das Recht der Verfügung über den eigenen Körper. Das besonders Verstörende an der vom Bundesverfassungsgericht postulierten „Austragungspflicht“ ist der Umstand, dass der Körper einer Schwangeren instrumentalisiert wird. Die körperlichen Veränderungen, die eine Schwangerschaft mit sich bringt, sind selbst für Frauen, die eine Schwangerschaft wollen, manchmal nur schwer erträglich; wie viel schlimmer für eine Frau, die diese erleben muss, ohne sie zu wol len. Zwangseingriffe in den eigenen Körper gehören zu Recht zu den gravierenden Eingriffen, gegen die Grundrechte schützen.
Bei der Reproduktionsmedizin geht es demgegenüber um die Erfüllung eines Kinderwunsches. Auch wenn ungewollte Kinderlosigkeit einen erheblichen Leidensdruck für die Betroffenen erzeugen kann, ist die Situation eine völlig andere. Erstens geht es nicht um die Verfügung über den eigenen Körper, sondern die Wunscherfüllung mittels Eizellspende oder Leihmutterschaft setzt die Nutzung des Körpers einer anderen Frau voraus. Für die Spenderinnen besteht die Gefahr von Ausbeutung und Abhängigkeit, die bei einer Regulierung mitbedacht werden müssen. Zweitens geht es bei Fortpflanzung um die Entstehung neuen Lebens. Wenn das Einnehmen der Elternrolle als Persönlichkeitsentfaltung des einzelnen Menschen konstruiert wird, wird das Kind als eigenständige Person ausgeblendet. Das Kind dient in dieser Perspektive der Persönlichkeitsentwicklung der Eltern; eine schwer erträgliche Vorstellung, die zudem mit unserem Konzept der Menschenwürde nicht vereinbar ist. Eine solche Instrumentalisierung des Kindes für die Zwecke der Eltern widerspricht auch unseren Vorstellungen von Elternverantwortung und Kinderrechten. Es gibt viele Rechte zum Schutz der eigenen Autonomie und Persönlichkeitsentfaltung, aber kein Recht der Verfügung über eine andere Person.
Dies hat erhebliche grundrechtliche Konsequenzen: Während das Verbot des Schwangerschaftsabbruchs unzweifelhaft in das Persönlichkeitsrecht – sowie die körperliche Unversehrtheit – der Schwangeren eingreift, ist dies für das Recht auf Fortpflanzung nach der hier vertretenen Auffassung nicht der Fall.9 Teils wird das Recht auf Fortpflanzung als „Familiengründungsfreiheit“ in Art. 6 Abs. 1 GG verortet. Aber auch diese Verankerung überzeugt nicht, da eine solche paarbezogene Sichtweise in engem Zusammenhang mit der traditionellen Konzeption der Ehe steht (konsequenterweise wird daher teilweise auch vertreten, dass überhaupt nur Eheleuten ein solches Recht zukommt); von dem Ballast der patriarchalen Institution der Ehe kann sich eine solchermaßen konstruierte Familiengründungsfreiheit nicht lösen. Richtigerweise ist daher das Recht auf Inanspruchnahme reproduktionsmedizinischer Maßnahmen – wie alles menschliche Handeln – in der allgemeinen Handlungsfreiheit zu verorten. Auch im Rahmen der allgemeinen Handlungsfreiheit darf der Staat nicht beliebige Verbote aussprechen, sondern muss Eingriffe rechtfertigen. Doch ist der Rechtfertigungsmaßstab bei Eingriffen in die allgemeine Handlungsfreiheit deutlich weniger streng als bei Eingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht.
Schwangerschaftsabbruch und reproduktive Maßnahmen sind also nicht zwei Seiten einer Medaille, sondern betreffen grundlegend unterschiedliche Sachverhalte. Die Forderung nach Liberalisierung des Schwangerschaftsabbruchs zieht also nicht notwendig auch die Befürwortung einer Liberalisierung der Verbote von Eizellspende und Leihmutterschaft nach sich.
III Medizinische Risiken
Die Eizellspende führt zu medizinischen Risiken für Spenderinnen, Schwangeren und Kindern, die mittels Eizellspende gezeugt worden sind. Durch die Fortentwicklung der reproduktionsmedizinischen Verfahren sind diese Risiken zwar verringert worden, aber aus zuschließen sind sie nicht.10
Für die Regulierung geben insbesondere die Risiken für die Spenderin Anlass zur Besorgnis. Die Eizellspende setzt zunächst eine mehrwöchige hormonelle Stimulation voraus. Diese Hormontherapie kann zu einem Überstimulationssyndrom führen. Sodann müssen die Eizellen entnommen werden; auch hier bei können – wie bei jedem medizinischen Eingriff – Komplikationen auftreten. Vor allem aber liegen noch keine hinreichenden Studien zu Langzeitwirkungen vor. Eizellspenderinnen sind ganz überwiegend junge Frauen: wie sich die Eizellspende auf ihre Gesundheit, insbesondere auf ihre Fertilität auswirkt, ist mangels entsprechender Daten nicht bekannt.
Diese medizinischen Risiken für Eizellspenderinnen sind auch ein zentraler Gesichtspunkt, der die Eizellspende von der Samenspende unterscheidet. Vielfach ist zu lesen, dass es eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung darstelle, die Unfruchtbarkeit von Männern mittels Samenspende überwinden zu können, die von Frauen hingegen nicht. Ganz abgesehen davon, dass dogmatisch zweifelhaft ist, ob es sich hierbei wirklich um eine Ungleichbehandlung „wegen des Geschlechts“ handelt, ist offensichtlich, dass eine Abgabe von Keimzellen, die invasive Ein griffe voraussetzt, wegen der damit verbundenen medizinischen Risiken anders behandelt werden darf als eine mit keinerlei körperlichen Risiken verbundene Aktivität.
IV Fremdnütziger Eingriff
Eine Eizellspende kann in drei Konstellationen vor kommen:
Es kann um Eizellen gehen, die im Rahmen einer eigenen reproduktionsmedizinischen Behandlung entnommen wurden, aber nicht mehr für die eigene Fortpflanzung verwendet werden sollen (Fall 1 – Spende „überzähliger“ Eizellen).
Im Rahmen eines gemeinsamen Familiengründungsprojekts in einer lesbischen Paarbeziehung kann eine Eizelle für die austragende Partnerin gespendet werden (Fall 2 – ROPA).
Zumeist geht es aber um die Unterstützung eines fremden Familiengründungsprojekts (Fall 3).
Da die letztgenannte Konstellation die weitaus häufigste ist, muss die Diskussion um eine Liberalisierung von dieser Fallgruppe der rein fremdnützigen Eizellspende ausgehen. Fremdnützige Handlungen, die mit körperlichen Risiken einhergehen, sind problematisch. Es ist eine unserer ethischen Grundintuitionen, dass die Kommerzialisierung des mensch lichen Körpers allenfalls in engen Grenzen zulässig ist. Diese Wertung kommt in verschiedenen Rechtsvorschriften zum Ausdruck, besonders prägnant etwa in Art. 3 Abs. 2 c) GRCh, der explizit das Verbot ausspricht, den menschlichen Körper und Teile davon als solche zur Erzielung von Gewinnen zu nutzen. Sie entspricht auch der Regulierung der Entnahme von Organen und Geweben bei lebenden Spender*innen; diese ist nach § 8 TPG nur unter sehr engen Voraussetzungen zulässig. Insbesondere die Entnahme einer Niere, des Teils einer Leber oder anderer nicht regenerierungsfähiger Organe ist überhaupt nur unter engen Verwandten oder zugunsten von Personen zulässig, die dem Spender in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahestehen (§ 8 Abs. 1 S. 2 TPG).
Die einzige Fallgruppe, bei der eine Eizellspende unter dem Aspekt der Fremdnützigkeit unproblematisch ist, ist die des gemeinsamen Familiengründungsprojekts eines lesbischen Paares. Hier besteht nicht nur eine enge Verbindung zwischen Eizellspenderin und Empfängerin, sondern die Eizellspende dient gerade der Verwirklichung des eigenen Kinderwunsches.
Eine gewisse Zwischenstellung nimmt die Fallgruppe 1 ein, die Spende überzähliger Eizellen. Einerseits lässt sich argumentieren, dass in diesem Fall die medizinische Behandlung ohnehin stattfindet bzw. stattgefunden hat, so dass keine zusätzlichen medizinischen Risiken durch die Spende auftreten. Dies trifft aber nicht in allen Fällen zu. So ist etwa aus Großbritannien bekannt, dass Frauen, die sich einer reproduktionsmedizinischen Behandlung unterziehen, Kosten erlassen bekommen, wenn sie überzählige Eizellen zur Verfügung stellen. Um mehr Eizellen ernten zu können, ist eine höhere Hormonstimulation notwendig, die Risiken nehmen daher durchaus auch in diesen Fällen zu. Sollte es hingegen allein um Eizellen gehen, die eine Frau nicht mehr benötigt, lässt sich in der Tat kein erhöhtes Risiko feststellen. Andererseits lädt die Zulassung nur solcher Eizellspenden zur Umgehung ein: eine Spenderin kann vorgeben, sich einer eigenen reproduktionsmedizinischen Behandlung unterziehen zu wollen, und nach der Hormonbehandlung ihre Meinung ändern.
V Altruismus vs. Kommerzialisierung
Eine Eizellspende zur Gewinnerzielung ist – wie oben erwähnt – unionsrechtlich verboten. Dieses Problem lösen die Verfechter*innen der Eizellspende darüber, der Spenderin lediglich eine Aufwandsentschädigung zuzusprechen. Dies ist aus mehreren Gründen ärgerlich.
Erstens ist das Gesamt-Konstrukt verlogen. Dass Eizellspenderinnen oder Leihmütter, die fremde Familienprojekte unterstützen, dies nicht aus finanzieller Motivation heraus machen würden, ist absurd. Spenderinnen mögen altruistische Motive haben (oder sie jedenfalls behaupten), aber dass sie die Spende auch aus finanziellen Gründen tun, kann – außer möglicherweise in Einzelfällen – kaum bezweifelt werden: Warum sollte frau auch erhebliche körperliche Belastungen für Fremde auf sich nehmen, wenn nicht, um damit Geld zu verdienen? Belegt wird dies zudem dadurch, dass die Anzahl der (potentiellen) Spenderinnen eng mit der Höhe der Aufwandsentschädigung korreliert, wie etwa der Vergleich von Spanien (attraktive Höhe, viele Spenderinnen) und Österreich (geringe Höhe, sehr wenig Spenderinnen) zeigt.11
Zweitens sollten Feministinnen immer mit Skepsis reagieren, wenn von Frauen altruistisches Verhalten verlangt oder ihnen zugeschrieben wird. Es ist ganz im Sinne der traditionellen Geschlechterordnung, wenn Frauen belastende Dinge „aus Liebe“ statt für Geld tun.
Drittens sind reproduktionsmedizinische Dienstleistungen ein großer Markt. Die Gewinne der Reproduktionskliniken sind erheblich. Auch Ärztinnen können mit reproduktionsmedizinischen Leistungen gutes Geld verdienen. Die einzigen, die daran nicht verdienen sollen, sind die Eizellspenderinnen und die Leihmütter, also die Frauen, die die körperlichen Lasten tragen.
VI Ausbeutungsgefahr
Das Positionspapier des djb erkennt ebenso wie der Kommissionsbericht an, dass Eizellspenden nicht selten in einem Verhältnis sozialer und wirtschaftlicher Ungleichheit stattfinden. Die Personen mit Kinderwunsch, die reproduktionsmedizinische Leistungen in Anspruch nehmen wollen, sind zumeist älter und wirtschaftlich gut situiert, während die – meist jungen – Spenderinnen zumeist aus wirtschaftlich prekären Verhältnissen kommen. Hinzu kommt, dass die Personen mit Kinderwunsch die Kund*innen der Reproduktionskliniken sind. Sie sind diejenigen, die medizinische Behandlung nachsuchen und bezahlen; ihnen gilt daher die besondere Aufmerksamkeit der Kliniken. Die Spenderinnen sind demgegenüber aus der Perspektive der Kliniken nur Lieferantinnen von Rohmaterial. Da die Anzahl der Eizellspenden, die je Person überhaupt nur vorgenommen werden dürfen, zumeist begrenzt sind, gibt es noch nicht einmal ein langfristiges Interesse der Kliniken, eine gute Beziehung zur „Lieferantin“ aufzubauen.
Es ist daher sehr schwierig, den Ausbeutungsgefahren überhaupt zu begegnen. Dies zeigt sich etwa an dem allgemein konsentierten Erfordernis, dass Spenden Einwilligung voraussetzen. Eine solche Einwilligung kann aber nur dann als autonome Entscheidung akzeptiert werden, wenn sie nicht nur formal freiwillig erfolgt. Wenn eine Spenderin umfangreiche Aufklärungsbögen erhält (und unterzeichnet), ist damit nicht gewährleistet, dass sie eine wirklich informierte Entscheidung trifft. Je komplexer die Aufklärungsinformationen werden, desto weniger lesen und verstehen Menschen sie; aus den Beipackzetteln von Medikamenten ist dieses Phänomen hinlänglich bekannt. Das Erfordernis nach einer unabhängigen Beratung der Spenderin ist daher von großer Bedeutung.
Die Drucksituation, die ökonomisch prekäre Verhältnisse mit sich bringen, lässt sich allerdings kaum durch Verfahrensregelungen auffangen. Intersektional betrachtet bleibt ein großes Ungleichheitsproblem.
VII Zur Rolle der Biologie
In der gesamten Diskussion um Reproduktionsmedizin schwingt zudem ein erstaunliches Revival der Bio logie mit. Das muss Feminist*innen stutzig machen. Immerhin ist die Biologie eine zentrale Fundierung der traditionellen Geschlechterordnung; auch heute noch wird die Binarität des Geschlechts vielfach aus der Biologie abgeleitet. Unsere Vorstellungen von Elternschaft hingegen hatten sich eher von der genetischen Verbindung gelöst und der sozialen Elternschaft den Vorrang eingeräumt.
Mit der Reproduktionsmedizin feiert aber der Wunsch nach dem genetisch eigenen Kind fröhliche Urständ. Eizellspende und Leihmutterschaft werden zumeist in Anspruch genommen, um eine genetische Verbindung zum Vater herzustellen. Denn die gespendete Eizelle wird mit dem Samen des Mannes befruchtet. Statt Eizellspenden als „Überwindung der Unfruchtbarkeit der Frau“ zu stilisieren, lassen sie sich typischerweise als Verschaffung eines eigenen genetischen Kindes des Mannes deuten. Dies wird bei der Leihmutterschaft besonders deutlich: Leihmutterschaft wird typischerweise mit Eizellspende verbunden, um die genetische Verwandtschaft von Leihmutter und Kind zu vermeiden, so dass die genetische Verbindung zum samenspendenden Vater die einzige ist.
VIII Zugang
Teils wird versucht, die Verbreitung der Eizellspende dadurch zu limitieren, dass Personen diese nur unter gewissen Bedingungen, etwa medizinischen Befunden der Unfruchtbarkeit, sollten in Anspruch nehmen können. Dieser „Ausweg“ ist sehr zweifelhaft. Zum einen werden wieder Entscheidungen von Frau en von ärztlichen Befunden abhängig gemacht; auch die Abwehr der Abhängigkeit von Ärzt*innen rund um das Thema Schwangerschaft und Geburt war ebenfalls ein wichtiges Thema der Frauenbewegung. Zum anderen hätte eine solche Begrenzung zur Konsequenz, dass eine intensive Kontrolle des Intimlebens von Frauen, die eine Eizellspende entgegennehmen, erfolgen müsste. Dies ist nicht akzeptabel.
Jegliche Begrenzung des Zugangs zu Eizellspenden bringen zudem erhebliche Diskriminierungsgefahren mit sich. Zur Erinnerung: Lange wurde das Verfahren in Deutschland nur heterosexuellen Paaren zur Verfügung gestellt. Sollte die Eizellspende auch in Deutschland zugelassen werden, muss sichergestellt werden, dass der Zugang zu reproduktionsmedizinischen Leistungen diskriminierungsfrei ausgestaltet wird.
IX Reproduktionstourismus
Würden Eizellspende und Leihmutterschaft in Deutschland zugelassen, können auch die Bedingungen der Zulassung gesetzlich normiert werden. Damit wird die Hoffnung verbunden, Gefahren von Ausbeutung und fehlender Aufklärung entgegenzuwirken, indem ein ausgewogenes, den Schutz der Spenderinnen gewährleistendes, Regelungsregime geschaffen wird. Sowohl das Policy Paper des djb als auch der Kommissionsbericht legen dar, welchen Voraussetzungen eine Regelung genügen müsste.
Dieses Anliegen ist ehrenwert, wird aber sein Ziel schwerlich erreichen können. „Reproduktionstourismus“ ist sowohl auf Seiten der Wunscheltern wie auf Seiten der Spenderinnen bzw. Leihmütter wahrscheinlich. Sind die Bedingungen in Deutschland so ausgestaltet, dass die Kosten für eine Kinderwunschbehandlung sehr hoch sind, werden Wunscheltern wie bisher ins Ausland ausweichen. Ist die Aufwandsentschädigung für Spenderinnen gering angesetzt, um finanzielle Anreize auszuschließen, wird es kaum genügend Spenderinnen geben; wird sie umgekehrt relativ hoch angesetzt, wird dies vor allem für Spenderinnen aus prekären wirtschaftlichen Verhältnissen, häufig aus dem Ausland, attraktiv sein.
Hinreichende Vorkehrungen gegen Ausbeutung, die auch effektiv sein können, wird es allenfalls auf der Grundlage internationaler, zumindest aber europäischer Vereinbarungen geben.
X Fazit
Es gibt also viele Gründe, die Feminist*innen da von abhalten sollten, für eine Liberalisierung von Eizellspende und (altruistischer) Leihmutterschaft einzutreten. Dies bedeutet freilich nicht, dass das Embryonenschutzgesetz unangetastet bleiben sollte. Es ist eine spezifisch deutsche Eigenheit, über Reproduktionsmedizin nur aus der Perspektive des Embryonenschutzes zu diskutieren. Schuld an dieser Perspektivenverzerrung ist das Bundesverfassungsgericht. Durch seine zwei großen Entscheidungen zum Schwangerschaftsabbruch aus den Jahren 1975 und 1993 hat es die verfassungsrechtliche Position des Embryos äußerst stark gemacht, die Rechte von Frauen hingegen gröblich missachtet. Die Entscheidungen werden daher zutreffend zu den schlechtesten Entscheidungen des Gerichts gezählt.12
Weder ist es angemessen, über die schwierigen Fragen der Reproduktionsmedizin nur aus der Perspektive des Embryonenschutzes nachzudenken, noch sind strafrechtliche Verbote die angemessenen Mittel einer Regulierung. Es ist an der Zeit, dass auch Deutschland wie die meisten unserer europäischen Nachbarn eine Fortpflanzungsmedizin schafft.
- Koalitionsvertrag 20212025 zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP „Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit.“, S. 92, abrufbar unter: https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/koalitionsvertrag-2021-1990800 (Letzter Abruf: 30.07.2024). ↩
- Bericht der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin, abrufbar unter: https://www.bmj.de/SharedDocs/Publikationen/DE/Fachpublikationen/2024_Bericht_Kom_218_StGB.html (Letzter Abruf: 30.07.2024). ↩
- Inhaltlich spricht viel für den terminologischen Vorschlag des djb, von Eizellabgabe, statt von Eizellspende zu sprechen. Dennoch wird hier der „eingebürgerte“ Begriff verwendet. ↩
- Deutscher Juristinnenbund, Policy Paper: Eizellabgabe vom 4. April 2024, abrufbar unter: https://www.djb.de/presse/stellungnahmen/detail/st24-11 (Letzter Abruf: 30.07.2024). ↩
- BT-Drucks. 11/5460, S. 7. ↩
- Kommissionsbericht, Arbeitsgruppe 2 – Möglichkeiten zur Legalisierung der Eizellspende und der altruistischen Leihmutterschaft, Kap. 1.3.1., abrufbar unter: https://www.bmj.de/SharedDocs/Publikationen/DE/Fachpublikationen/2024_Bericht_Kom_218_StGB.html (Letzter Abruf: 30.07.2024). ↩
- Siehe dazu Vinken, Die deutsche Mutter, 2001. ↩
- BVerfGE 10, 59, 78. ↩
- Ausführlich dazu Sacksofsky, Über ein Recht auf Fortpflanzung, in: Merkur 859 (2020), S. 32, 34 f. ↩
- Kommissionsbericht, Arbeitsgruppe 2, Kap. 1.3.2, a.a.O., Fn. 6. ↩
- Kommissionsbericht, Arbeitsgruppe 2, Kap. 1.3.4.1.3, a.a.O., Fn. 6. ↩
- Bei einer Umfrage der Zeitschrift für öffentliches Recht nach den misslungensten Entscheidungen in der Geschichte des Bundesverfassungsgerichts wählten drei Verfassungsrechtler*innen die Abtreibungsentscheidung(en): Bickenbach, Die Urteile des Bundesverfassungsgerichts zur Strafbarkeit von Schwangerschaftsabbrüchen, ZöR 2022, 485-488; Sacksofsky, Das Patriarchat lässt grüßen – die 2022 747-753; Wieland, Recht auf Schwangerschaftsabbruch und väterlicher Stichentscheid, ZöR 2022, 835-839. Abtreibungsentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, ZöR ↩