STREIT 3/2024
S. 106
Mutterschutz für Selbständige – Aktuelles und Erfreuliches
Zugegeben, die Überschrift scheint eine Farce zu sein, schließlich ist der Mutterschutz für Selbständige eins ganz sicher: nicht existent. Wie das sein kann, ist einfach zu erklären: die Schwangerschaft ist nach wie vor ein gesundheitliches und wirtschaftliches Risiko. Selbständige haben keinen gesetzlichen Anspruch auf Elternzeit, da diese nur für Arbeitnehmerinnen gilt. Da hilft auch nicht die flexible Arbeits(zeit-)gestaltung, die der ein oder andere anführt. Bei schlechter finanzieller Ausgangssituation hilft auch die flexible Zeiteinteilung nichts.
Aber genug des Ärgers: der Beitrag widmet sich dem Erfreulichem, und das gibt es zu berichten! Am 11.05.2024 fand die Auftaktveranstaltung zur gemeinsamen Erklärung zum Mutterschutz für Selbständige in Berlin statt. In einer gemeinsamen Erklärung fordern die Unterzeichnenden unter anderem eine Absicherung des Einkommens in der Schwangerschaft. Bisher können sich Selbstständige nur mit zusätzlichen Kosten für ein sogenanntes Krankentagegeld versichern, und zwar für den Fall, dass sie aufgrund der Schwangerschaft ihre Arbeit nicht mehr ausführen können. Mit der Beseitigung von Benachteiligungen hat das nichts gemein.
Mit ihrer ursprünglichen Petition hat Tischlermeisterin Johanna Röh im Jahr 2022 eine Diskussion um den Mutterschutz für Selbstständige in Gang gebracht. Gefordert wird, dass Selbständige während der Schwangerschaft und nach der Entbindung die gleichen Mutterschutzleistungen erhalten sollen wie Arbeitnehmerinnen. Johanna Röh gründete eine Initiative, später folgte die Vereinsgründung Mutterschutz für Alle! e.V. und nun wurde das Bündnis Mutterschutz für Selbständige gelauncht unter anderem unterstützt vom Deutschen Juristinnenbund (djb), der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (ABL), dem Deutschen Hebammenverband und dem Deutschen Anwaltverein (DAV). Grußworte sprachen Jörg Hagedorn vom ZDH und Mona Neubaur, Wirtschaftsministerin NRW (online). Keynotes wurden gesprochen von Theresa Gröninger, CDU, Barbara Blomeier, AKF, Jill Carstens, selbstständige Fotografin & Mutter, Julia Glasewald, Bühnenmütter und Marina Zubrod, Unternehmerin.
„Über den Mut, die eigenen Erfahrungen zu verallgemeinern“ referierte Jo Lücke. Im Anschluss erfolgte die „Exkursion in das (inter)nationale Recht“ mit der lieben Kollegin Angela Heinssen.
Das Podium mit den Panelistinnen Ulrike Häfner (SPD-Frauen), Anna Peters (Grüne), Anastasia Vishneskaja-Mann (FDP), Tatjana Lanvermann (UFH), Johanna Röh (MfA), Marlene Bilto-Löhr (MfA) und mir (FORUM Junge Anwaltschaft) hat sich mit den Fragen zum Mutterschutz für Selbstständige auseinandergesetzt und hat die Perspektive von Betroffenen einfließen lassen. Die Fragen der Moderatorin Marlene Bilto-Löhr an die Panelistinnen zielten auf die Gestaltung des Mutterschutzes ab. Dazu konnte jede Panelistin ihre Perspektive einbringen. Meine Perspektive bestand darin, von meiner anstehenden Familienplanung in der Selbständigkeit und den damit einhergehenden finanziellen Herausforderungen und Ängsten zu berichten.
Besonders schön war, dass es einen Stuhl gab, auf dem Betroffene aus dem Publikum Platz nehmen konnten und tatsächlich genommen haben, um ihre Fragen zu stellen oder ihre Perspektive zu schildern. Auch das diente dem Zweck der echten Teilnahme und Teilhabe.
Das Bündnis-Launch war vor allem eins: verbindend und übergreifend: Parteiübergreifend, branchenübergreifend und verbandsübergreifend. Das ist Zusammenarbeit, die der Mutterschutz benötigt. Ich freue mich auf das, was kommt, und bin bereit für den anstehenden Kampf. Damit Handwerkerinnen nicht hochschwanger auf der Baustelle arbeiten, damit Anwältinnen nicht eine Woche nach der Entbindung Gerichtstermine wahrnehmen müssen, damit wir durch finanzielle Absicherung der Gleichberechtigung ein Stück näherkommen. Damit die Selbständigkeit für Unternehmerinnen, Gründerinnen, freiberuflich Tätige und Soloselbständige eine Chance bleibt ohne zugleich Risiko zu werden und damit jede Person ihren Kinderwunsch frei von Ängsten realisieren darf.