STREIT 1/2019

S. 10-14

Leihmutterschaft ist kein Menschenrecht

Im Kontext der Diskussion um Reproduktive Autonomie konzentriere ich mich mit meiner Kommentierung auf den auch unter Feministinnen besonders umstrittenen Bereich der Leihmutterschaft. Zu hinterfragen sind in diesem Kontext Argumente, die sich auf den Anspruch der Gleichberechtigung von Frauen und Männern beziehen. Auch geht es um die scheinbare Interessengleichheit von Müttern und Vätern, die durch die Verwendung des Paarbegriffs nahegelegt wird, wie auch um die fiktionale Trennung von schwangerer Frau und Embryo. Die Leihmutterschaft als privatwirtschaftliches Geschäft unterliegt der Logik der liberalen Marktwirtschaft, ethisch muss sie daher auch zumindest an den dort geltenden Standards gemessen werden.1

A. Gleichberechtigung als Scheinargument

In Anspielung auf einen US-amerikanischen Fall, der durch die Medien ging,2 stellt sich mir die Frage: Soll ein 53-jähriger Mann von Rechts wegen die Möglichkeit erhalten, ein genetisch „eigenes“ Kind zu erzeugen und aufzuziehen, wenn er mit der Mutter des Kindes von vornherein keine Beziehung haben kann oder will?
Würden wir von einer Frau sprechen, wäre die Antwort klar: Wenn es eine Frau schafft, sich einen Samen zu besorgen, kann sie ein Kind/ihr Kind austragen, stillen und weiter versorgen. Und hier kommt nun der Gebärneid ins Spiel. Viele Männer können es offensichtlich schwer ertragen, dass sie bei der Erzeugung von Kindern auf eine Frau angewiesen sind, die das Kind für sie in ihrem Leib wachsen lässt und zur Welt bringt.
Um diesen Vorteil der Frauen zu eliminieren, wurde im Patriarchat das Keuschheitsgebot für Frauen ersonnen.3 Hinzu kamen das absolute Verbot der Abtreibung, die gesetzliche Verpflichtung der Ehefrauen, sich schwängern zu lassen,4 und das Alleinentscheidungsrecht des Vaters über die Kinder.5 Diese Beschränkungen der Freiheit von Frauen wurden durch die Frauenemanzipation beseitigt, mit der Folge, dass Frauen wieder im Vorteil waren, wenn es darum ging, für sich allein ein Kind zu bekommen.6
Als Reaktion darauf entstand in den 90er Jahren die Vaterrechtsbewegung, die mit Mitteln des Sorgerechts versucht, vorgeblich Gleichberechtigung herzustellen. In diesem Sinne erstritten Vaterrechtler das Recht des Zugriffs auch auf solche Kinder, die aus einer nur flüchtigen Beziehung oder einer Samenspende unter Bekannten entstehen.7 Wenn es ein Mann geschickt anstellt, könnte er auf diesem Wege (nämlich: durch Zeugung, Vaterschaftsanerkennung, Antrag auf alleinige Sorge) eine Frau ganz legal und kostenlos als Leihmutter instrumentalisieren. Allerdings wäre in diesen Fällen vor einer Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf den Vater eine gerichtliche Prüfung des Kindeswohls notwendig, eine Hürde, die nicht leicht zu nehmen ist. So erscheint die vertragliche Leihmutterschaft vielen Männern, die sich ein Kind ohne Beziehung zur Mutter wünschen, als attraktivere Möglichkeit.
Umgekehrt gibt es zunehmend auch Frauen, die für sich die Freiheit eines Mannes ersehnen, also die Möglichkeit der Erzeugung eines genetisch „eigenen“ Kindes ohne die Mühen der Schwangerschaft und Geburt und losgelöst von der „biologischen Uhr“, die so viele Frauen daran hindert, ihre Karriere in einer männerdominierten Arbeitswelt ungestört zu verfolgen. Auch dies wird als Weg zu mehr Gleichberechtigung propagiert.8

B. Paare sind keine Rechtssubjekte

Die Reproduktionstechniken, die eine Leihmutterschaft erst technisch möglich machen, tragen zur Fiktion einer Gleichberechtigung von Frauen und Männern im Reproduktionsprozess bei, indem die von der Mutter wie vom Vater stammenden Gene ins Zentrum des Interesses rücken. Damit einher geht die Rede vom Elternpaar, das die genetische Ausstattung des Kindes verkörpert. Die gesellschaftliche Erwartung geht dahin, dass die Schwangerschaft und Geburt vom genetischen Elternpaar am Bildschirm verfolgt und in Absprache mit Ärzten gemeinsam gestaltet wird.9 Wenn man wie Andrea Büchler reproduktive Rechte aus der Perspektive „des Paares“ analysiert,10 so gerät die Schwangere, die die leibliche Menschwerdung erst ermöglicht, leicht aus dem Blick. Das beinhaltet die Gefahr, dass der Anspruch entsteht, dem genetischen Vater ein Mitentscheidungsrecht über die Schwangerschaft und damit über die Schwangere selbst geben zu wollen.11
Aus menschenrechtlicher Perspektive können Mann und Frau jeweils nur über den eigenen Körper und die eigenen Keimzellen entscheiden. Auch wenn sich ein Fötus außerhalb des Mutterleibes befindet, treffen sie Entscheidungen nicht als Paar mit unterstellt identischen Interessen, sondern je für sich, wobei sie im Idealfall versuchen, sich zu einigen.12
Auch nach der Geburt des Kindes lenkt der Begriff des Elternpaares ab von den individuell unterschiedlichen Positionen des Vaters und der Mutter. Schließlich werden Mann und Frau weder durch die Ehe noch durch die Elternschaft „ein Fleisch“ (Matthäus 19,6).

C. Recht auf ein genetisch eigenes Kind unter Einsatz Dritter ist kein Menschenrecht

Durch Recht wird die Autonomie des Individuums in Bezug auf den eigenen Körper und die eigene Sexualität und Reproduktivität geschützt gegen Eingriffe durch den Staat und über die Konstruktion der mittelbaren Drittwirkung von Grundrechten auch gegen Eingriffe durch andere Personen. Wie Friederike Wapler beschreibt, sind die inneren Bedingungen für eine selbstbestimmte Entscheidung, ob, wann und mit wem ein Kind erzeugt wird, nicht losgelöst zu betrachten von den äußeren Bedingungen, unter denen die Entscheidung zu treffen ist.13 Letztere werden wesentlich durch die Rechtsordnung determiniert. Die inneren wie die äußeren Bedingungen der autonomen Entscheidungen sind durch kulturelle Traditionen geprägt und damit veränderbar. So wurden die reproduktiven Rechte von Frauen durch die Frauenrechtekonvention (CEDAW) gestärkt und speziell für Frauen und Männer mit Behinderungen durch die Behindertenrechtekonvention (UN BRK).14 Beide Konventionen zielen auf eine grundsätzliche Verbesserung der äußeren Entscheidungsbedingungen.
Das Ziel, kein Kind zu erzeugen, können Männer wie Frauen durch Verhütung erreichen, Frauen darüber hinaus durch Abtreibung. Zur Erfüllung des Wunsches nach einem genetisch „eigenen“ Kind brauchen Frauen den Samen eines Mannes, Männer brauchen eine Frau, die dazu bereit ist, ihnen ein Kind zu gebären. Neue Technologien, wie die IVF oder die Eizellenspende werfen Fragen auf, wie diese äußeren Bedingungen reproduktiver Möglichkeiten rechtlich reguliert werden sollen. Sollen sie unbeschränkt der Vertragsfreiheit unterliegen, an Bedingungen geknüpft oder ganz verboten werden?15
Anders als die Samenspende beinhaltet die Stimulation und Entnahme von Eizellen immer eine Körperverletzung, in die die betroffene Frau allerdings einwilligen kann. Vieles spricht dafür, diesen Eingriff nicht grundsätzlich zu verbieten, weil eine Selbstschädigung hier wie auch in vielen anderen Zusammenhängen hinzunehmen ist, wie z.B. bei Schönheitsoperationen, Extremsport oder Rauchen. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob durch Recht der Handel mit Keimzellen oder anderen Körperteilen unterstützt, lediglich toleriert oder verboten werden sollte, wie dies z.B. im Sozialleistungsrecht zu regeln wäre.16
Eine Frau, die eine Vereinbarung über eine Leihmutterschaft schließt, entscheidet – anders als im Falle der IVF oder Eizellenspende – nicht nur über Funktionen ihres eigenen Körpers, sondern auch über das Leben des gezeugten Kindes. Es stellt sich die Frage, ob der Vertragsgegenstand dieser Vereinbarung etwas Gegebenes ist, eine vorhandene Möglichkeit zur Reproduktion, von der Menschen heute in Deutschland zu Unrecht ausgeschlossen werden.
Die Frage, ob Leihmutterschaften verboten oder reguliert werden sollten, wird in verschiedenen Kulturen und Rechtsordnungen unterschiedlich bewertet.17 Dabei geht es nicht um die Frage, ob Schwangerschaft und Geburt „unhintergehbare Voraussetzungen für echte Mutterschaft“ sind.18 Vielmehr geht es um Grund- und Menschenrechte von Frauen und Kindern. Deren Definition beruht allerdings auf kulturell geprägten Wertvorstellungen. Wie Andrea Maihofer ausführt,19 müssen wir den Wahrheitsgehalt unserer Rechtsanschauungen kontinuierlich hinterfragen und Eingriffe in die Autonomie von Individuen in jedem Fall gut begründen.
Die Selbstbestimmung, die in diesem Zusammenhang menschenrechtlich eingefordert werden kann, kann sich nur auf den Umgang mit dem eigenen Körper beziehen. Für eine Frau beinhaltet es das Recht, darüber zu entscheiden, ob sie sich schwängern lässt oder nicht, und wie sie mit ihrem schwangeren Körper, zu dem auch das entstehende Kind gehört, umgeht.20 Der Kampf für diese Rechte war lang und der Weg zu ihrer Umsetzung ist steinig. Für den Mann beinhaltet reproduktive Selbstbestimmung die Freiheit, die Zeugung eines Kindes zu verhüten oder nicht. Es beinhaltet für ihn nicht die Freiheit zu entscheiden, ob mit seinem Sperma ein Kind erzeugt wird. Dafür braucht er immer die Einwilligung und Mitwirkung der Frau, die das Kind austrägt.
Die Leihmutterschaft sichert aus Perspektive der Frau gerade nicht das Recht auf selbstbestimmte Reproduktion, da die Leihmutterschaft ja gerade nicht darauf gerichtet ist, sich selbst in einem Kind zu reproduzieren.21 Für sie geht es also lediglich um die Frage, ob sie das Recht dazu hat, sich vertraglich zu verpflichten, für Andere ein Kind in ihrem Leib zu produzieren. Auf Seiten des Bestellvaters und/oder der Bestellmutter geht es nicht um das Recht, über den eigenen Körper zu entscheiden. Vielmehr geht es um das Recht, durch vertragliche Verpflichtung Dritter ein genetisch definiertes Wunschkind produzieren zu lassen.

Aus beiden Perspektiven geht es also um die Grenzen der Vertragsfreiheit. In Deutschland können und müssen die Gerichte jeden Vertrag darauf überprüfen, ob er gegen die guten Sitten – also z.B. gegen die Menschenrechte – verstößt oder ob eine Seite auf Grund ihrer schwächeren Position ausgebeutet wird.22 Am nächsten liegt hier der Vergleich mit den vertragsrechtlichen Einschränkungen bezogen auf sexuelle Dienstleistungen.
Zu Recht wird im Prostitutionsgesetz klargestellt, dass eine Prostituierte nicht rechtlich gezwungen werden darf, eine vertraglich zugesicherte sexuelle Dienstleistung tatsächlich zu erbringen. Verweigert sie sich, entfällt ihr Vergütungsanspruch, würde sie aber gezwungen, die Dienstleistung auszuführen, wäre dies ein unzumutbarer Eingriff in ihre sexuelle Selbstbestimmung.23
Eine Frau, die sich zur Herstellung und Austragung einer Schwangerschaft verpflichtet, kann – anders als die Sexarbeiterin und jede andere Dienstleisterin – ihren Dienst nicht jederzeit abbrechen, denn je länger der Dienst andauert, desto schwieriger, gefährlicher und schließlich unmöglicher wird der Abbruch. Sie kann auch nicht pausieren, vielmehr ist sie mit Leib und Seele neun Monate ununterbrochen im Dienst. Die Forderung, Leihmütter müssten das garantierte Recht haben, das gezeugte Kind jederzeit als eigenes zu akzeptieren und zu behalten, kann nur in Ausnahmefällen einen Ausweg bieten. Auch Regulierungen, die sicher stellen sollen, dass Leihmütter sich nicht aus einer sozialen Zwangslage heraus zum Dienst verpflichten, ändert nichts daran, dass dieser Dienst eine im Laufe der Zeit unentrinnbare, die gesamte Person umfassende Verpflichtung beinhaltet, die einer Leibeigenschaft nahe kommt. Eine solche Selbstverpflichtung erfüllt alle Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit, die Anbahnung und Unterstützung derartiger Verträge unterliegen dem Verbot der Zwangsarbeit.24
Dem steht nicht entgegen, dass die Leihmutter sich anfangs selbstbestimmt für die Dienstleistung entscheidet.25 Ausschlaggebend ist, dass sie den Dienst nicht unterbrechen und bei fortgeschrittener Schwangerschaft nur durch die Geburt des Kindes beenden kann, wobei die körperlichen und psychischen Nachwirkungen des Geburtsaktes ebenfalls zu tragen sind. Auch die Möglichkeit des Schwangerschaftsabbruchs in einem früheren Stadium der Schwangerschaft ist – vorausgesetzt, die tatsächlichen Möglichkeiten dafür sind gegeben – körperlich und oft auch psychisch verletzend und als Rechtfertigung des Rechts auf Leihmutterschaft ethisch problematisch.

Ein weiterer Gesichtspunkt, der für die Sittenwidrigkeit der Leihmutterschaftsvereinbarung spricht ist, dass der Vertrag mit der Leihmutter nicht eigentlich wegen der Schwangerschaftsleistung geschlossen wird, sondern allein mit dem Ziel, ein Kind zu produzieren. Das Kind ist also Objekt des Vertrages und für die Leihmutter Mittel zum Zweck, Geld zu verdienen – was gegen die Menschenwürde des Kindes verstößt. Es kommt daher nicht darauf an, ob einem Kind wegen seiner Entstehung durch Leihmutterschaft ein Schaden entsteht und ob dieser dem Schaden einer Adoptionsvermittlung nach der Geburt vergleichbar ist.

Unter dem Gesichtspunkt des Kinderschutzes ist zudem nicht nur das erzeugte Kind zu berücksichtigen, sondern eventuell auch das Wohl der schon geborenen Kinder der Leihmutter, die erleben müssen, dass ihre Mutter ein von ihr geborenes Kind weggibt, um damit Geld zu verdienen. Wäre Leihmutterschaft eine verbreitete gesellschaftliche Praxis, würden alle Kinder die Beobachtung machen können, dass Kinder als Erwerbsquelle produziert und weggegeben werden können. Sie würden dies zu Recht als Kinderhandel interpretieren. Das zu verhindern, wäre für den Gesetzgeber ein legitimes Ziel, das auch Einschränkungen einer Entscheidungsfreiheit rechtfertigt.

Aus frauenpolitischer Perspektive spricht noch ein weiteres Argument gegen die Legalisierung der Leihmutterschaft.26 Mit einem Leihmutterschaftsvertrag wird auf die Spitze getrieben, was schon im Kampf gegen das Verbot der Abtreibung kritisiert worden war: die fiktive Trennung von schwangerer Frau und Embryo.27 Während die Leihmutter als (noch) unverzichtbare Dienstleisterin für die Erzeugung eines Kindes wahrgenommen wird, wird das durch ihren Körper sich entwickelnde Kind als Person eigenen Rechts definiert, über das dementsprechend die Bestelleltern als Außenstehende verfügen können. Aus dieser fiktionalen Sicht auf den Embryo erscheint dann die Schwangere lediglich als uterinäres Umfeld, als, wie es in der feministischen Kritik immer wieder formuliert worden ist, „Gebärmaschine“, die irgendwann dann auch durch echte Maschinen ersetzbar sein wird. So wird letztlich nicht nur der Embryo zum Objekt eines Vertrages, sondern auch die Schwangere wird auf einen Objektstatus reduziert.

Anders als Michelle Cottier und auch als Nina Dethloff sehe ich keine Möglichkeit, diesen menschenrechtswidrigen Vertragstypus durch Schutzklauseln zu heilen.28 Die Interessenkonflikte, die in verschiedenen Ländern bereits die Gerichte beschäftigen, verdeutlichen, dass durch jede Entscheidung der Objektcharakter des Kindes („wem gehört das Kind“) und die Fremdbestimmung über den Körper und die körperlichen Entscheidungen der Leihmutter weiter betont und vertieft werden. Selbst wenn die Leihmutter das Recht behielte, die Schwangerschaft abzubrechen, soweit dies rechtlich erlaubt und medizinisch noch möglich ist, und wenn sie das Recht hätte, Schwangerschaft und Geburt nach eigenem Willen zu gestalten und schließlich das Kind zu behalten, wenn also der Vertrag vor allem den Inhalt hätte, die Bestellmutter und/oder den Bestellvater zu verpflichten, das Kind nach der Geburt „abzunehmen“, so bliebe das Kind doch Objekt eines Dienstleistungsvertrages und die Leihmutter von der ursprünglichen Intention des Vertrages her in einer unentrinnbaren Zwangslage.
Teils wird argumentiert, ein Verbot der Leihmutterschaft könne diese nicht verhindern, sondern führe vielmehr zur Verlagerung in andere Länder, in denen sich Frauen aus existentieller Not für diese Art des Gelderwerbs entscheiden und mangels staatlicher Regulierung extremer Ausbeutung ausgesetzt sind.29 Das ist zwar richtig, spricht aber nicht gegen ein Verbot in Deutschland. Es gibt viele Vertragsgestaltungen (z.B. im Arbeits-, Verbraucherschutz-, Umweltrecht), die in Deutschland unzulässig sind, im Ausland hingegen nicht, was dann auch Wirtschaftsverbände veranlasst, auf Wettbewerbsnachteile im globalen Wirtschaftsverkehr hinzuweisen und Unternehmen motiviert, Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern. Das zwingt aber nicht dazu, die deutschen Standards im Arbeits- und Sozialschutz abzusenken. Auch strafrechtliche Verbote – um die es hier gerade nicht geht –, wie z.B. die Strafbarkeit der Zwangsverheiratung oder der Beschneidung weiblicher Genitalien, werden nicht dadurch in Frage gestellt, dass eine Begehung der Tat im Ausland möglich ist. Vielmehr werden durch ein Verbot in Deutschland auch andere Länder ermutigt, derartige Praktiken ihrerseits in Frage zu stellen.

Zum Schutz der Frauen, die in anderen Ländern als Leihmütter ausgebeutet werden, sollte nicht der Weg der Legalisierung und Regulierung gewählt werden. Vielmehr sollte daran gearbeitet werden, das Verbot der Leihmutterschaft menschenrechtlich zu verankern, um es auch international durchsetzen zu können. Parallel dazu gilt es, die Menschenrechtslage von Frauen so zu verbessern, dass Leihmutterschaft nicht als bessere Alternative zur Arbeit in Fabriken, Bergwerken oder in der Landwirtschaft erscheint und Leihmütter eine extreme Ausbeutung und Freiheitsberaubung in sogenannten Reproduktionszentren nicht für normal und unausweichlich halten müssen. Der Wunsch nach einem „Bestellkind“ kann auch durch Öffentlichkeitsarbeit beeinflusst werden, ähnlich wie es im Kampf gegen Sextourismus versucht wird. Auch Hürden bei der Einreise des Kindes wirken abschreckend, auch wenn diese mit Rücksicht auf das Kind eine Einreise nicht immer verhindern können.30

D. Selbstbestimmung im Kontext neoliberaler Marktmechanismen

Zum Abschluss möchte ich noch kurz eine historische Einordnung vornehmen, mit der ich die Frage von Andrea Maihofer nach der Freiheit, die wir erstreben, aufgreife.31
Im Patriarchat herrschte der Mann über die Frau und ihre Reproduktionsfähigkeit, weil man davon ausging, dass das Naturgesetz oder wahlweise Gottes Wille dies so vorgab. Das Kind gehörte primär dem Vater.
In der kurzen Phase der durch die Neue Frauenbewegung in „westlichen Ländern“ errungenen Frauen­emanzipation konnte die Frau relativ autonom über ihre reproduktiven Fähigkeiten entscheiden. Dazu gehörte, dass sie sich für ein Kind ohne Vater entscheiden konnte („Alleinerziehen als Befreiung“32 ). Zugleich wurde die emotionale Bindung an den (sozialen) Vater, wie sie durch tatsächlich erbrachte Sorgearbeit entsteht, in der wissenschaftlichen Forschung entdeckt und im Familienrecht rechtlich gestärkt.33
Seit der Jahrtausendwende erleben wir eine zunehmend aggressiv durchgesetzte Unterwerfung unter die Gesetze des Marktes für Waren und Dienstleistungen. Die Bedeutung der Sorgearbeit als Ausdruck der wechselseitigen Abhängigkeit und Verbundenheit von Menschen und zugleich die Bedeutung der durch Sorgearbeit entstandenen Bindungen verliert in letzter Zeit im Familienrecht wieder an Bedeutung.34 Selbstbestimmung beinhaltet in diesem Kontext die Möglichkeit, jede Ware oder Dienstleistung zu erwerben, die auf dem freien Markt angeboten wird – soweit das eigene Budget reicht. Dazu gehört das genetisch „eigene“, das aus Keimzell-Banken ausgewählte oder das gentechnisch „optimierte“ Kind.35 Vom Sozialstaat wird dann verlangt, jedem Individuum den Einkauf derartiger Waren und Dienstleistungen zu ermöglichen, wenn sie dem soziokulturellen Mindeststandard entsprechen.
Aus dem Marktmechanismus folgt der heute immer stärker werdende Zwang zur Selbstoptimierung unter den Vorgaben des Erwerbsarbeitsmarktes, was dann zu IVF, PID, eingefrorenen Eizellen, daraus folgenden Embryoadoptionen, Spätabtreibungen, Wunschkaiserschnitten und nicht zuletzt zu Leihmutterschaften führt. Schöne neue Welt!
Wieviel schöner könnte die Welt sein, wenn wir in einer marktkritischen Bewegung eine stärkere Betonung der wechselseitigen Abhängigkeiten und Verantwortlichkeiten durchsetzen könnten, die neue Formen des Zusammenlebens und des Lebens mit Kindern ermöglichen würde, unabhängig von deren genetischer Abstammung und körperlichen Besonderheiten. Hier könnte das Recht in seiner Funktion der Ermöglichung von Menschenrechten wirksam werden.

  1. Leicht überarbeiteter Nachdruck aus: Susanne Baer / Ute Sacksofsky (Hg.), Autonomie im Recht – Geschlechtertheoretisch vermessen, Baden-Baden 2018, S. 239-250, mit freundlicher Genehmigung der Herausgeberinnen und des Verlags.
  2. „Nicolas Berggruen ist Mutter und Vater zweier Babys“, STERN vom 27.04.17, abrufbar unter http://www.stern.de/familie/kinder/nicolas-berggruen--investor-kauft-sich-zwei-babys-6816662.html (zuletzt abgerufen am 20.3.2019).
  3. Gerda Lerner, Die Entstehung des Patriarchats, 1995, S. 226 ff.
  4. Palandt BGB, 26. Aufl. 1966, § 43 EheG Rn. 13 Verweigerung des ehelichen Verkehrs.
  5. § 1627 BGB (Elterliche Gewalt des Vaters) in der Fassung von 1900 war in Kraft bis 1957 und als „Stichentscheid des Vaters“ bis zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts 1959, BVerfGE 10, 59-89 (29.7.1959).
  6. Bezeichnend für dieses neue Lebensgefühl: Anita Heiliger, Alleinerziehen als Befreiung – Mutter-Kind-Familien als positive Sozialisationsform und als gesellschaftliche Chance, 1991.
  7. § 1626 a BGB in der Fassung vom 16.4.2013.
  8. Social Freezing: Apple und Facebook bezahlen Einfrieren von Eizellen, abrufbar unter: http://www.ingenieur.de/Arbeit-Beruf/Arbeitsmarkt/Social-Freezing-Apple-Facebook-bezahlen-Einfrieren-Eizellen (zuletzt abgerufen am 20.03.2019). Kritisch zu derartigen Freiheitsversprechen: Ute Sacksofsky, Schöne neue Welt? Anmerkungen zur Präimplantationsdiagnostik, Zeitschrift des Deutschen Juristinnenbundes, 2017, S. 8.
  9. Wobei allerdings an Väter – auch mit Blick auf die spätere Versorgung des Säuglings – andere Erwartungen gerichtet werden als an Mütter: Kira Proll, (Ver)Ordnungen von Vaterschaft – Eine Annäherung an institutionelle und parentale Herstellungspraktiken, abrufbar unter: www.gffz.de/fileadmin/userupload/RZ16.102InternetpublikationVaterschaft_DS.pdf (zuletzt abgerufen am 20.03.2019).
  10. Andrea Büchler, Reproduktive Autonomie und Selbstbestimmung. Dimensionen, Umfang und Grenzen an den Anfängen menschlichen Lebens, 2017, S. 4 f.
  11. Zu dieser Gefahr und gegen ein Mitspracherecht des Vaters: Büchler, (Fn. 10) S. 19, 104 ff.
  12. So hat der BGH entschieden, dass ein Mann kein (alleiniges) Verfügungsrecht über die mit seinem Sperma befruchteten krykokonservierten Eizellen einer Eizellspenderin hat: BGH, Neue Juristische Wochenschrift 2016, 3174-3176 (24.8.2016).
  13. Friederike Wapler, in Baer / Sacksofsky, Autonomie im Recht, 2018, S. 193.
  14. Zum Autonomieverständnis dort Theresia Degener in: Baer / Sacksofsky, Autonomie im Recht, 2018, S. 61 ff.
  15. Dazu unter Bezug auf die Geschichte des Reprodukionsrechts: Sibylla Flügge, Teile und herrsche, in: Ute Gerhard/Mechtild Jansen/Andrea Maihofer/Pia Schmid/Irmgard Schultz (Hg.), Differenz und Gleichheit, 1990, S. 169-174.
  16. Lisbeth N. Trallori, Der Körper als Ware, 2015, S. 46, weist zu Recht darauf hin, dass die Rede von angeblichen „Spenden“ die tatsächliche Enteignung der Körper durch Konzerne verschleiert. Sie vergleicht die Bewirtschaftung des Körpers als Rohstoff mit dem Kolonialismus.
  17. Michelle Cottier, Understanding the impact of different concepts of surrogate mother for the regulation of international surrogacy arrangements, Völkerrechtsblog vom 22.7.2016, abrufbar unter https://archive-ouverte.unige.ch/unige:86261 (zuletzt abgerufen am 20.03.2019).
  18. Büchler (Fn. 10) S. 52, charakterisiert mit dieser Formulierung die in der Schweiz vorherrschende Ablehnung der Leihmutterschaft.
  19. Andrea Maihofer in: Baer / Sacksofsky, Autonomie im Recht, 2018, S. 38.
  20. Ausführlich Büchler (Fn. 10) S. 77 ff.
  21. Vgl. Trallori, (Fn. 16) S. 43.
  22. Zu den Grenzen der Vertragsfreiheit nach §§ 138, 242 BGB: BVerfGE 89, 214, 232 (19.10.1993).
  23. §§ 1, 2 ProstG, dazu: Dorothea Czarnecki/Henny Engels/Barbara Kavemann/Elfriede Steffan/Wiltrud Schenk/Dorothee Türnau, beratend Naile Tanis, Prostitution in Deutschland – Fachliche Betrachtung komplexer Herausforderungen, Berlin 2014, abrufbar unter: https://www.kok-gegen-menschenhandel.de/fileadmin/user_upload/Prostitution4Final.pdf (zuletzt abgerufen am 20.03.2017).
  24. Dazu: Art. 4 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, Art. 8 Abs. 1 und 2 des UN-Zivilpaktes, Art. 4 Abs. 1 Europäische Menschenrechtskonvention, die jeweils Sklaverei, Leibeigenschaft und staatlich verordnete oder geduldete Zwangsarbeit verbieten.
  25. Zur Praxis des Leihmutterschaftsgewerbes in Indien: Sheela Saravanan, Humanitäre Grenzen und Grenzüberschreitungen feministischer Rechtsforderungen – ein Bericht über Leihmutterschaft in Indien, in: STREIT 2/2018, S. 70-80. Zur Fiktion der „Freiwilligkeit“ schon: Angelika Cortese / Annegret Feldmann, Leihmutterschaft – die neue Heimarbeit?, in: STREIT 4/1985, S. 123-130.
  26. Den Prozess gegen die erste kommerzielle Vermittlungsagentur in Deutschland für Leihmutterschaften (in den USA) schildert Ute Winkler, Die Frankfurter „Leihmutter“-Agentur, in: STREIT 1/1988, 34 ff.; Auszug in diesem Heft, S. 15.
  27. Den Anfang dieser Entwicklung analysiert Anna Dorothea Brockmann, Von Recht und Ordnung in der Gebärmutter, in: STREIT 1/1988, 18-25.
  28. Michelle Cottier (Fn. 17); Nina Dethloff in: Baer / Sacksofsky, Autonomie im Recht, 2018, S. 232.
  29. Dazu Nina Dethloff (Fn. 28); vgl auch: Sheela Saravanan (Fn. 25).
  30. BGHZ 203, 350-372 (10.12.2014); zuletzt EGMR Beschwerde-Nr. 25358/12 (27.1.2017), in STREIT 3/2017, S. 115-121.
  31. Maihofer (Fn. 19), S. 45 ff.
  32. Anita Heiliger (Fn. 6).
  33. Zu den Anfängen: Sibylla Flügge, Kein gemeinsames Sorgerecht ohne Ehe (zu BVerfGE 56, 363-395 vom 24.03.1981), in: STREIT 1/1983, S. 24-28; kritisch: Jutta Bahr-Jendges / Iris Bubenick-Bauer, Im Kleid der Mütterlichkeit, Familie und Familienpolitik in der BRD, in: STREIT 2/1983, S. 3-9.
  34. Ausführlich zur Entwicklung: Barbara Schwarz, Die Verteilung der elterlichen Sorge aus erziehungswissenschaftlicher und juristischer Sicht, Wiesbaden 2011; Rezension in: STREIT 4/2011, 189.
  35. Kirsten Achtelik, Selbstbestimmte Norm. Feminismus, Pränataldiagnostik, Abtreibung, Berlin 2015.