STREIT 1/2019
S. 15
Ute Winkler: Die Frankfurter „Leihmutter“-Agentur
Aus: STREIT 1/1988, S. 34-35 (Auszug)
Der amerikanische Rechtsanwalt Noel P. Keane hat vor, auch den europäischen Markt mit einer „Leihmutter“-Agentur zu befruchten. Am 1. Oktober 87 hatte der „Vater“ der amerikanischen „Leihmutter“-Industrie auf der Frankfurter Zeil unter dem vielversprechenden Namen „United Family International“ eine Agentur eröffnet. Bei dieser Agentur handelte es sich um ein europäisches Informationszentrum, das die administrative Abwicklung für den deutschen/europäischen Kunden übernahm. (…)
Die „Leihmütter“ waren bisher US-amerikanische Frauen (ob die neueste „Baby-M“-Entscheidung daran etwas ändern wird, ist noch nicht bekannt). Die heterologe Insemination, Schwangerschaft und Geburt, inklusive der Übergabe, finden in den USA statt. Die Leistungen der Agentur – von der Information und Beratung in Frankfurt bis hin zu der Übergabe des Kindes einschließlich des Adoptionsvertrages in den USA – kosten ca. 60.000 DM. Jeweils 20.000 DM bekommen die „Leihmutter“ und Noel P. Keane, die verbleibenden 20.000 DM werden z.B. für Krankenhauskosten, Arzthonorare und Versicherungen verwandt.
Die „Leihmütter“ werden vor ihrer Aufnahme streng geprüft: sie sollten schon gesunde Kinder haben, sie müssen sich ärztlichen Tests unterziehen, müssen ihre genetische Fitness nachweisen und psychisch belastbar sein, damit es keine Schwierigkeiten bei der Übergabe der „Investition“ – so bezeichnet Keane die Kinder – gibt. Auch während der Schwangerschaft wird die Frau ständig kontrolliert und hat nur noch eine minimale Eigenbestimmung über ihren Körper. Die „Leihmutter“ hat viele Pflichten aber keine Rechte.
Bekannt wurde Noel P. Keane in der Bundesrepublik durch den Prozeß um das Baby „M“. In seinem „Infertility Centre“ wurde der Vertrag zwischen Mary Beth Whitehead und William Stern geschlossen. Mehr als 180 Kinder sollen durch sein Engagement geboren sein, mehrere „Leihgeburten“ stehen aus.
Ehepaare, die sich für die Frankfurter Agentur interessieren, mußten eine Heiratsurkunde und ein ärztliches Attest, das die Unfruchtbarkeit der Frau bestätigt, vorlegen. Keane machte sich aber auch schon Gedanken über andere Kunden, für die die „Leihmutterschaft“ phantastische Chancen eröffnen soll: z.B. Männer, die zwar ein Kind aber keine Frau wollen. Männern, die lieber einen Sohn möchten, könnte er mit der Insemination männlicher Samen behilflich sein (letzteres wird in den USA schon praktiziert, siehe dazu: Gena Corea, Die Muttermaschine, Berlin 1985, S. 195). In den USA tritt Keane vehement für die gesetzliche Verankerung der „Leihmutterschaft“-Verträge ein.
Als wir (Frauen vom Feministischen Frauengesundheitszentrum, FINRAGE Frankfurt und andere Frauen des Feministischen Internationalen Netzwerks gegen Gen- und Reproduktionstechnologien) von der Eröffnung der Agentur erfuhren, starteten wir eine breite Kampagne; wir waren mit die ersten, die ihren Protest in der Öffentlichkeit äußerten. Zahlreiche autonome Frauen-/gruppen in Parteien, Verbänden, Gewerkschaften und Kirchen haben mit uns eine große Allianz gebildet und eine sofortige Schließung der Agentur gefordert.
Nachdem sich auch die offiziellen Stellen dagegen ausgesprochen hatten und in der Existenz der Agentur einen Verstoß gegen das Adoptionsvermittlungsgesetz sahen, drohte die Stadt Frankfurt der Agentur die sofortige Schließung und Versiegelung an für den Fall, daß dort weiter „Leihmütter“-Verträge vermittelt würden. Das VG Frankfurt stellte die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Verbotsverfügung wieder her, sodaß es zunächst so aussah, als dürfe die Agentur für die Dauer des Hauptsacheverfahrens, das ja bekanntlich Jahre dauern kann, weiterhin Frauen als Brüterinnen vermieten und Kinder als Handelsware deklarieren. Der Hessische VGH hat mit Beschluß vom 23.12.87 (11 TH 3526/87) den Beschluß des VG Frankfurt aufgehoben.
Dies bedeutet zunächst das „Aus“ für die kommerzielle Vermittlung von „Leimüttern“, zumindest in Hessen. Unsere Kampagne geht weiter. In Frankfurt haben wir ein Forum gegen „Leihmutterschaft“ gegründet, das sich auch mit anderen Aspekten der Fortpflanzungstechnologien beschäftigen wird. (…)
Hinweis der Redaktion:
Nach der Geburt ihrer am 27.03.1986 geborenen Tochter „Baby M“ weigerte sich die „Leihmutter“, in die Übertragung des Sorgerechts auf den Bestellvater, der zugleich der genetische Vater war, einzuwilligen. Es war der erste derartige Fall, der 1988 von einem Höchstgericht in den USA entschieden wurde (In the Matter of Baby M, 109N.J. 396, 537 A.2d 1227 – N.J. 1988). In der Vorinstanz war der Vertrag über die Leihmutterschaft für gültig und vollstreckbar erklärt worden. Der New Jersey Supreme Court entschied, Leihmutterschaftsverträge seien rechtswidrig. In diesem Fall aber sei im Sinne des Kindeswohls eine Übertragung des Sorgerechts auf den Vater erforderlich. Die Leihmutter erhielt ein Umgangsrecht. Dazu: in Re Baby M – Further Readings, Law Library – American Law and Legal Information, https://law.jrank.org/pages/4604/Baby-M-in-Re.html. In Deutschland gab es 1985 erste Urteile zur Sittenwidrigkeit eines Leihmutterschaftsvertrages, z.B.: OLG Hamm, vom 2.12.1985, 11 W 18/85, NJW 1986, 781, FamRZ 1986, 159 ff.