STREIT 3/2023
S. 117-120
BGH, §§ 1, 16 Abs. 1 MuSchG, § 3 MuSchG a.F.; Art 101 Abs. 1 S.2 GG; §§ 229 Abs. 3 S. 1 Nr. 2, 338 Nr. 1 StPO
Schwangere Schöffin kann auch bei Beschäftigungsverbot richten
Das einer ehrenamtlichen Richterin nach § 16 Abs. 1 MuSchG ausgesprochene Beschäftigungsverbot führt nicht zu einem Mitwirkungsverbot in der Hauptverhandlung und berührt deshalb den Gewährleistungsgehalt des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht.
Dass eine Schöffin aufgrund einer Schwangerschaft aus gesundheitlichen Gründen nicht geeignet sein sollte, das Schöffenamt auszuüben, liegt auch in Fällen des § 16 MuSchG regelmäßig fern.
Eine Strafkammer ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt dazu verpflichtet, die Schwangerschaft einer Berufsrichterin oder Schöffin offenzulegen oder Fragen der Verfahrensbeteiligten dazu zu beantworten; jedenfalls bei einer Schöffin gilt Gleiches im Hinblick auf etwaige ärztliche Beschäftigungsverbote nach § 16 MuSchG.
Urteil des BGH v. 30.09.2021, 5 StR 161/20
Aus den Gründen:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt, Einziehungsentscheidungen getroffen und ihn von weiteren Vorwürfen freigesprochen. […] Die mit der Verfahrensrüge sowie der allgemeinen Sachrüge geführte Revision des Angeklagten zeigt keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil auf. […]
Der Angeklagte ist wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten. So verurteilte ihn das Landgericht Dresden im Jahr 1997 zunächst wegen versuchter räuberischer Erpressung und räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten. Im Jahr 1999 verhängte dasselbe Gericht gegen ihn wegen Mordes in drei Fällen – unter Einbeziehung der Einzelstrafen von einem Jahr und zehn Monaten sowie vier Jahren Freiheitsstrafe aus dem zuvor ergangenen Urteil – eine lebenslange Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe. […]
C. Revision des Angeklagten
I.
Mit seiner Verfahrensrüge beanstandet der Beschwerdeführer ohne Erfolg, die Strafkammer sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen (§ 338 Nr. 1 StPO, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG).
1. Zum Verfahrensgeschehen trägt er insoweit Folgendes vor: In laufender Hauptverhandlung sei für die schwangere Schöffin H. durch den Betriebsarzt ihres Arbeitsgebers am 14. August 2020 zunächst ein ärztliches Beschäftigungsverbot nach § 16 MuSchG bezüglich „jede(r) Beschäftigung“ erteilt worden, was sie dem Gericht am 17. August 2020 anzeigt habe. Nach einem weiteren Hauptverhandlungstag am 24. August 2020 unter Mitwirkung der Schöffin habe die Strafkammervorsitzende Kontakt mit dem Arzt aufgenommen, der das Verbot am 27. August 2020 „in Ergänzung zum Attest über das Beschäftigungsverbot“ dahingehend einschränkt habe, dass der Schöffin jeweils eine zeitlich begrenzte Teilnahme gestattet sei.
Der Beschwerdeführer habe die fehlerhafte Besetzung des Gerichts gerügt, was dieses durch einen nicht begründeten Beschluss zurückgewiesen und die Aussetzung des Verfahrens abgelehnt habe. Die vorschriftswidrige Besetzung aufgrund des absoluten Beschäftigungsverbots habe an allen Hauptverhandlungstagen seit dem 14. August 2020 bestanden, weil die Schöffin H. trotz eines umfassenden ärztlichen Beschäftigungsverbots gemäß § 16 Abs. 1 MuSchG mitgewirkt habe. Zudem sei die Schöffin gesundheitlich nicht in der Lage gewesen, den Schöffendienst zu versehen. […]
Das einer ehrenamtlichen Richterin nach § 16 Abs. 1 MuSchG ausgesprochene Beschäftigungsverbot führt nicht zu einem Mitwirkungsverbot in der Hauptverhandlung und berührt deshalb den Gewährleistungsgehalt des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht. Die insoweit zulässig erhobene Rüge ist unbegründet. […]
b) Das ärztliche Beschäftigungsverbot vom 14. August 2020 führt nicht zu einer gesetzeswidrigen Gerichtsbesetzung.
aa) Ein ärztliches Beschäftigungsverbot gemäß § 16 Abs. 1 MuSchG hat dem Arbeitgeber gegenüber konstitutive Wirkung und bewirkt – mit Vorlage des Attests – die Suspendierung der Pflicht der schwangeren Frau zur Arbeitsleistung, so dass er die schwangere Arbeitnehmerin sofort freizustellen hat (vgl. BAG, Urteile vom 7. November 2007 – 5 AZR 883/06; vom 9. Oktober 2002 – 5 AZR 443/01, NZA 2004, 257; vom 21. März 2001 – 5 AZR 352/99, BAGE 97, 215, 219; Henssler/Willemsen/Kalb/Hergenröder, ArbR, 9. Aufl., § 16 MuSchG Rn. 4; ErfK/Schlachter, 21. Aufl., § 16 MuSchG Rn. 8). Umfang und Dauer des Verbots richten sich nach dem ärztlichen Zeugnis (vgl. Roos/Bieresborn/Betz, MuSchG/BEEG, 2. Aufl., § 16 MuSchG Rn. 21). Die Gesundheit von Mutter oder Kind müssen bei „Fortdauer der Beschäftigung“ gefährdet sein. Dies setzt einen Ursachenzusammenhang zwischen der Gesundheitsgefährdung und der Fortsetzung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit voraus. Maßgebend sind dabei der individuelle Gesundheitszustand und die konkrete Arbeitstätigkeit der schwangeren Arbeitnehmerin (vgl. BAG, Urteile vom 7. November 2007 – 5 AZR 883/06; vom 13. Februar 2002 – 5 AZR 753/00, jeweils zu § 3 Abs. 1 MuSchG aF; Erbs/Kohlhaas/Häberle, Stand Mai 2021, MuSchG § 16 Rn. 2; Roos/Bieresborn/Betz, MuSchG/BEEG, 2. Aufl., § 16 Rn. 7). Solange das Zeugnis besteht, entfaltet es Bindungswirkung (ErfK/Schlachter, 21. Aufl., § 16 MuSchG Rn. 10).
bb) Die als öffentliches Ehrenamt ausgeführte Schöffentätigkeit (§ 31 Satz 1 GVG) unterfällt indes nicht dem persönlichen Anwendungsbereich des Mutterschutzgesetzes. Durch das Gesetz zur Neuregelung des Mutterschutzrechts vom 23. Mai 2017 (BGBl. I S. 1228) wird – an Stelle des bisher vorausgesetzten Arbeitsverhältnisses – nun darauf abgestellt, ob sich die Frau in einer Beschäftigung nach § 7 Abs. 1 SGB IV befindet (§ 1 Abs. 2 Satz 1 MuSchG). Beschäftigung ist gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Mit dem Verweis auf diese Bestimmung soll unter anderem dem unionsrechtlich vorausgesetzten Arbeitnehmerbegriff Rechnung getragen werden (vgl. BT-Drucks. 18/8963, S. 49; Richtlinie 92/85/EWG; EuGH, Urteil vom 11. November 2010 – C-232/09, NJW 2011, 2343). Eine Beschäftigung in diesem Sinne setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine persönliche Abhängigkeit voraus. Dies ist bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (vgl. BSG, Urteile vom 27. April 2021 – B 12 KR 25/19 R, NJW 2021, 3212; vom 16. August 2017 – B 12 KR 14/16 R, BSGE 124, 37; vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R, BSGE 111, 257 jeweils m.w.N.). Kennzeichnend für die persönliche Abhängigkeit Beschäftigter ist ebenfalls, dass sie ihre Arbeitsleistung auf der Grundlage eines gegenseitigen Vertrages oder Rechtsverhältnisses erbringen, um als Gegenleistung dafür eine Entlohnung zu erhalten, sodass die Arbeitsleistung bei objektiver Betrachtung zu Erwerbszwecken erbracht wird (vgl. BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 KR 3/17 R m.w.N.).
cc) Das Gericht ist nach diesen Maßstäben nicht Arbeitgeber der Schöffin und damit nicht Adressat des ärztlichen Beschäftigungsverbots, das auf ihre konkrete Arbeitstätigkeit bezogen ist. Denn es „beschäftigt“ die ehrenamtlich tätige Schöffin nach den vorgenannten Grundsätzen nicht. Schöffen stehen gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn nicht in einem festen Dienst- oder Arbeitsverhältnis. […]
Das für die Schöffin H. am 14. August 2020 ausgestellte Beschäftigungsverbot ist auch konkret ausschließlich „zur Vorlage an den Arbeitgeber“ ausgestellt und nimmt ausdrücklich nur Bezug auf die „Fortdauer der Beschäftigung“. Die Tätigkeit als Schöffin findet keine Erwähnung.
Hinzu kommt, dass nicht ein niedergelassener Arzt, sondern gerade der betriebsärztliche Dienst das Verbot ausgesprochen hat, was die besondere Verbindung zu dem beruflichen Beschäftigungsverhältnis und mithin die Ausrichtung des ärztlichen Befundes auf dieses unterstreicht. Dass der betriebsärztliche Dienst die mit einem Schöffenamt einhergehenden Belastungen bei der Ausstellung der Arbeitsunfähigkeit nicht im Blick hatte, wird belegt durch die spätere Anpassung, wonach die Schöffentätigkeit – jedenfalls zeitlich begrenzt – nicht als gefährdend für die Gesundheit von Mutter und Kind angesehen wird.
dd) Schöffinnen unterfallen nicht unmittelbar den für Berufsrichterinnen geltenden Mutterschutzvorschriften.
Für Berufsrichterinnen gelten die an den Arbeitgeber gerichteten Regelungen – aufgrund der statusrechtlichen Besonderheiten (BT-Drucks. 18/8963, S. 35) – nach § 1 Abs. 3 Satz 1 MuSchG nicht direkt, sondern über § 71 DRiG, § 46 BeamtStG in Verbindung mit den landesrechtlichen Vorschriften (hier für Sachsen § 3 SächsRiG, § 77 Nr. 1 SächsBG, §§ 1, 15 Abs. 1 SächsUrlMuEltVO; vgl. BGH, Urteil vom 7. November 2016 – 2 StR 9/15, BGHSt 61, 296; Roos/Bieresborn/Altenbeck, MuschG/BEEG, 2. Aufl., § 1 Rn. 51). Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat für die Zeit des nachgeburtlichen Mutterschutzes einer Berufsrichterin ein „Dienstleistungsverbot“, das zu einer gesetzeswidrigen Gerichtsbesetzung führe, angenommen (Urteil vom 7. November 2015 – 2 StR 9/15, a.a.O.; zustimmend Niemöller, NStZ 2017, 425; ebenso Norouzi in Festschrift von Heintschel-Heinegg, 2015, S. 349, 353 „rechtlicher Verhinderungsfall“; zweifelnd BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 – 5 StR 401/20, NStZ 2021, 434; Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl., § 16 Rn. 30). Der Senat kann weiter offenlassen, ob er sich dieser Annahme anschließen würde (vgl. Beschlüsse vom 19. Januar 2021 – 5 StR 401/20, a.a.O.; vom 8. Januar 2020 – 5 StR 366/19 Rn. 40 f., insoweit nicht abgedruckt in BGHSt 64, 246), da für Schöffinnen die Mutterschutzvorschriften nicht gelten.
Anders als bei den Berufsrichterinnen stellt die Schöffentätigkeit ein Ehrenamt dar, das Laien unabhängig von ihrer sonstigen Betätigung wahrnehmen. Zwar sind Schöffen den Berufsrichtern im Sinne des Strafrechts gleichgestellt, insbesondere in Bezug auf die Amtsdelikte (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 und 3, §§ 331 ff. StGB; vgl. Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl., § 31 Rn. 9). Für die Rechtsstellung, den Erwerb und Verlust des Amtes, also den rechtlichen Rahmen der Tätigkeit, gelten aber allein die §§ 31 ff. GVG und §§ 44 ff. DRiG, die weder Verweisungen auf die das Statusrecht der Berufsrichterschaft betreffenden noch die mutterschutzrechtlichen Normen vorsehen (vgl. § 2 DRiG, § 2 SächsRiG). […]
ee) Es ist auch kein Raum für eine entsprechende Anwendung des § 16 Abs. 1 MuSchG auf die ehrenamtliche Schöffentätigkeit. Die Auslegung der Vorschrift ergibt, dass weder eine planwidrige Regelungslücke noch eine vergleichbare Interessenlage für eine entsprechende Anwendung besteht.
(1) Die historische Auslegung der Regelung steht einer entsprechenden Anwendung entgegen. Der Senat schließt mit Blick auf die Entstehungsgeschichte der Norm eine planwidrige Regelungslücke aus.
Die vormalige Regelung des § 3 Abs. 1 MuSchG aF ist in § 16 Abs. 1 MuSchG übernommen und lediglich redaktionell angepasst worden. Der Regelungsinhalt des individuellen Beschäftigungsverbots sollte unverändert bleiben (vgl. BT-Drucks. 18/8963, S. 87). Vor der Reform des Mutterschutzes knüpften das bisherige Gesetz zum Schutz der erwerbstätigen Mutter in der Fassung vom 20. Juni 2002 (BGBl. I S. 2318) und die Verordnung zum Schutze der Mütter am Arbeitsplatz vom 15. April 1997 (BGBl. I S. 782) noch stärker an den Begriff der Arbeitnehmerin an. Die Reform zielte auf die Anpassung an die grundlegend gewandelten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, das heißt insbesondere an die gewachsene Erwerbsbeteiligung von Frauen, aber auch an die seit Mitte des letzten Jahrhunderts gänzlich veränderten Arbeitswelten (vgl. BT-Drucks. 18/8963, S. 1). So sollten die Vereinbarkeit von Schwangerschaft oder Mutterschaft und Erwerbstätigkeit gefördert und gewährleistet (vgl. BT-Drucks. 18/8963, S. 34), die Wahlfreiheit der Schwangeren gestärkt und ihre berufliche Entwicklung unterstützt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 – 5 StR 401/20, NStZ 2021, 434; ErfK/Schlachter, 21. Aufl., MuSchG, § 3 Rn. 6). Überdies wurde der Anwendungsbereich erheblich erweitert und umfasst nun den Schutz am Arbeits-, Ausbildungs- und Studienplatz. Damit sollte der Lebenswirklichkeit schwangerer Frauen in der Arbeitswelt entsprochen werden. Ehrenamtlich Tätige wurden indes – weiterhin – nicht in den Anwendungsbereich aufgenommen.
Die differenzierte Erweiterung des Anwendungsbereichs spricht dagegen, dass der Gesetzgeber die ehrenamtliche Tätigkeit versehentlich nicht erfasst hat. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass er eine abschließende Regelung treffen wollte, was aufgrund der Wichtigkeit der Rechtsfolge auch geboten ist. Hierfür streitet zudem, dass die ordnungsgemäße Besetzung der Strafkammer nicht davon abhängig sein kann, ob – möglicherweise im selben Verfahren eingesetzte – Schöffinnen abhängig beschäftigt sind und entsprechend ein an den Arbeitgeber gerichtetes ärztliches Beschäftigungsverbot verhängt werden kann oder sie selbständig als Freiberuflerin tätig oder nicht berufstätig sind und damit vom Geltungsbereich des MuSchG nicht erfasst werden (vgl. dazu Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 18. Aufl., § 165 Mutterschutzrecht Rn. 8). Dass unter den aufgezeigten Umständen die eine Schöffin gesetzliche Richterin sein soll, die andere aber nicht, liegt fern.
(2) Auch die teleologische Auslegung spricht gegen eine entsprechende Anwendung des § 16 Abs. 1 MuSchG auf Schöffinnen.
Zweck des ärztlichen Beschäftigungsverbots ist die Bewahrung der werdenden Mutter und des ungeborenen Kindes vor Gesundheitsrisiken, die mit einer Fortsetzung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit verbunden sind. Es genügt, dass die Fortsetzung der Arbeit auf diesem Arbeitsplatz die Gesundheit von Mutter oder Kind gefährdet; unerheblich ist, auf welcher genauen Ursache die Gefährdung beruht (vgl. BAG, Urteil vom 11. November 1998 – 5 AZR 49/98, NZA 1999, 763 zu § 3 Abs. 1 MuSchG aF; Roos/Bieresborn/Betz, MuschG/BEEG, 2. Aufl., § 16 Rn. 7). Auch psychische Belastungen am Arbeitsplatz vermögen das individuelle Beschäftigungsverbot zu begründen (vgl. BAG, Urteil vom 7. November 2007 – 5 AZR 883/06; ErfK/Schlachter, 21. Aufl., MuSchG, § 16 Rn. 2); diese können beispielsweise auf Stress oder Unstimmigkeiten mit Kollegen oder Vorgesetzten am Arbeitsplatz beruhen und andere Tätigkeiten unberührt lassen. Damit wird deutlich, dass das Beschäftigungsverbot an die individuellen Belastungen der Schwangeren durch die konkrete Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses anknüpft.
Die unterschiedlichen Regelungen für ehrenamtliche Richterinnen und Berufsrichterinnen widersprechen auch nicht dem Grundgedanken des Mutterschutzgesetzes. Dessen Ziel ist nicht die Gewährung eines absoluten Schutzes in allen Lebensbereichen; vielmehr soll der besonderen Situation der von dem persönlichen Anwendungsbereich des § 1 MuSchG erfassten Frauen Rechnung getragen werden (vgl. Engel, Ehrenamt und Arbeitsrecht, 1994, S. 281; Roos/Bieresborn/Altenbeck, MuSchG/BEEG, 2. Aufl., § 1 Rn. 2 ff.). So sind Schöffinnen zwar in gleicher Weise schutzwürdig wie Berufsrichterinnen, indes ergibt sich nicht dasselbe Schutzbedürfnis (vgl. auch Engel, Ehrenamt und Arbeitsrecht, 1994, S. 280). Denn dem Schutzbedürfnis der ehrenamtlich tätigen Richterinnen kann durch die Vorlage eines auf die Schöffentätigkeit bezogenen ärztlichen Attests, das die Verhandlungsunfähigkeit bestätigt, ausreichend Rechnung getragen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Februar 2021 – 5 StR 400/20; OLG Düsseldorf, NJW 1992, 1712 „durch Krankheit an der Wahrnehmung seines Amtes gehindert“; KK-StPO/Barthe, 8. Aufl., § 54 GVG Rn. 3; Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl., § 54 Rn. 2; im Ergebnis nicht entgegenstehend OLG Düsseldorf, NStZ-RR 2011, 215).
c) Dieser Auslegung steht auch nicht die durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2122) eingeführte Regelung des § 229 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StPO entgegen. Danach tritt die Fristhemmung nunmehr auch ein, wenn eine zur Urteilsfindung berufene Person wegen gesetzlichen Mutterschutzes oder der Inanspruchnahme von Elternzeit nicht zur Hauptverhandlung erscheinen kann. Die Vorschrift setzt die Geltung des „gesetzlichen Mutterschutzes“ für alle zur Urteilsfindung berufenen Personen und damit auch für Schöffinnen voraus. So heißt es in den Gesetzesmaterialien, dass die Neuregelung der Hemmungsvorschriften auch für Schöffinnen „uneingeschränkt“ gelten solle (vgl. BT-Drucks. 19/14747, S. 32 f.). Die Regelung begründet indes keinen gesetzlichen Mutterschutz, sondern berücksichtigt – vor dem Hintergrund der Entscheidung des 2. Strafsenats vom 7. November 2016 (2 StR 9/15, BGHSt 61, 296) – lediglich, dass auch den mutterschutzrechtlichen Belangen der Schöffinnen Rechnung zu tragen ist, wenn sie der ehrenamtlichen Tätigkeit nicht weiter nachkommen können.
3. Soweit der Beschwerdeführer die fehlerhafte Besetzung geltend macht, weil die Schöffin H. aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen sei, an der Hauptverhandlung teilzunehmen, ist die Rüge bereits nicht in zulässiger Weise erhoben. […]
5. Das im Rahmen der Verfahrensrüge mitgeteilte Befangenheitsgesuch des Angeklagten gibt dem Senat Anlass für folgenden Hinweis:
Eine Strafkammer ist entgegen der Auffassung der Verteidigung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt dazu verpflichtet, die Schwangerschaft einer Berufsrichterin oder Schöffin offenzulegen oder Fragen der Verfahrensbeteiligten dazu zu beantworten; jedenfalls bei einer Schöffin gilt Gleiches im Hinblick auf etwaige ärztliche Beschäftigungsverbote nach § 16 MuSchG (vgl. zum unzulässigen Ausforschen etwaiger Befangenheitsgründe auch BGH, Beschluss vom 14. April 2020 – 5 StR 14/20, NJW 2020, 2741; Urteil vom 2. September 2020 – 5 StR 630/19, NStZ 2020, 749). Anderes mag allenfalls gelten, wenn ausnahmsweise die Verhandlungsunfähigkeit einer zur Entscheidung berufenen Person wegen einer ernsthaften Erkrankung aufgrund konkreter und tragfähiger Anhaltspunkte in Rede steht oder es um die Frage geht, ob eine Konstellation im Sinne der Entscheidung des 2. Strafsenats vom 7. November 2016 (2 StR 9/15, BGHSt 61, 296) vorliegt (zwingender nachgeburtlicher Mutterschutz einer Berufsrichterin). Dass eine Schöffin aufgrund einer Schwangerschaft aus gesundheitlichen Gründen nicht geeignet sein sollte, das Schöffenamt auszuüben, liegt auch in Fällen des § 16 MuSchG regelmäßig fern. […]