STREIT 1/2023

S. 23

Verbesserter Schutz der in Privathaushalten beschäftigten Betreuungskräfte (sog. ,,Live-Ins“)

Die 99. Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK) hat am 30.11./1.12.2022 einstimmig beschlossen:

  1. Die Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren für Arbeit und Soziales der Länder stellen fest, dass Tätigkeiten zur Bewältigung des in Deutschland auch aufgrund des demographischen Wandels stetig steigenden Bedarfs an Betreuung pflegebedürftiger Menschen eine wichtige gesamtgesellschaftliche Aufgabe darstellen.

  2. Sie erkennen an, dass es häufig der Wunsch der pflegebedürftigen Personen und/oder ihrer Familien ist, dass die pflegerische Versorgung so lange wie möglich im gewohnten häuslichen Umfeld stattfindet, auch in Fällen, in denen sie nicht durch Angehörige übernommen werden kann.

  3. Die Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren für Arbeit und Soziales der Länder sehen jedoch mit Sorge, dass insbesondere im Bereich der sog. ,,Live-Ins“ verhältnismäßig häufig unzureichende Arbeitsbedingungen herrschen.

  4. Die besondere Sorge der Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren für Arbeit und Soziales der Länder gilt in diesem Zusammenhang den häufig aus dem Ausland stammenden Betreuungskräften, die in Privathaushalten mit untergebracht sind und dort als sog. ,,Live-Ins“ die Versorgung der Pflegebedürftigen zu teilweise unzumutbaren, bisweilen sogar ausbeuterischen Konditionen übernehmen. Dabei übernehmen sie teilweise auch grundpflegerische Tätigkeiten, für die sie keine pflegefachliche Anleitung erhalten haben. Die Länder sehen daher die Notwendigkeit, die Arbeitsbedingungen dieser Betreuungskräfte deutschlandweit flächendeckend zu verbessern und verbindliche (Mindest-)Standards bei der Erbringung pflegerischer Maßnahmen – nicht zuletzt zum Schutz der Beschäftigten – einzuführen.

  5. Sie begrüßen daher die Grundsatzentscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 24.06.2021 zu Betreuungskräften in Privathaushalten auch für Bereitschaftsdienstzeiten zustehenden Entgelt­ansprüchen, sehen damit jedoch auch die Herausforderung verbunden, Privathaushalte dabei zu unterstützen, die Kosten einer ordnungsgemäßen, legalen häuslichen Pflege finanziell tragen zu können.

  6. Die Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren für Arbeit und Soziales der Länder fordern daher die Bundesregierung auf, ein Gesamtkonzept vorzulegen, das insbesondere umfasst,
    a) durch Prüfung ggf. zu ändernder rechtlicher Rahmenbedingungen unzureichenden oder gar ausbeuterischen Arbeitsbedingungen in „Live-Ins“ wirkungsvoller als bisher entgegenzuwirken,
    b) die bestehenden Kontrollmöglichkeiten bezüglich dieser Arbeitsbedingungen zu optimieren,
    c) durch gezielte – auch vorbeugende – Informationen an pflegebedürftige Personen und deren Angehörige, aber auch an potentielle Betreuungskräfte und solche, die schon in diesem Segment arbeiten, sowohl hier in Deutschland als auch in Ländern, aus denen viele Pflege- und Betreuungskräfte nach Deutschland kommen, dazu beizutragen, dass der in Deutschland vorgegebene Rechtsrahmen für „Live-Ins“ bekannt ist und eingehalten wird und
    d) Maßnahmen zu ergreifen, um die Systeme der sozialen Sicherung besser als bisher in die Lage zu versetzen, in der häuslichen Umgebung pflegebedürftige Personen und deren Angehörige bei der Inanspruchnahme legaler Modelle der häuslichen Betreuung und Pflege zu unterstützen und vor finanzieller Überforderung zu schützen. Besonders in den Fokus zu nehmen ist hierbei, den bestehenden und noch steigenden Bedarf in Form von „Live-Ins“ in durchgängig überprüfbare legale Bahnen zu lenken, die für alle Beteiligten bedarfsgerechte, rechtskonforme und humane Betreuung und Pflege und dem Grundsatz von Guter Arbeit gleichermaßen entsprechende Lösungen ermöglichen. Dazu gehört auch die Abgrenzung der zu erbringenden körperpflegerischen und betreuerischen Maßnahmen.
    e) dass durch die Maßnahmen keine bürokratischen Hürden aufgebaut werden, die aufgrund von aufwendigen Anforderungen die Arbeit von Live-In-Kräften in illegale Arbeitsverhältnisse verschiebt.