STREIT 1/2020
S. 34
AG – FamG Bremen
Verfahrenskostenhilfe für Dolmetscherkosten beim Mandantinnengespräch
In Ergänzung des Beschlusses vom 27.02.2018 (Gewährung von Verfahrenskostenhilfe) sind die Kosten für die Inanspruchnahme eines Dolmetschers für die rumänische Sprache für bis zu 4 Stunden Mandantengespräch über das vorgelegte Sachverständigengutachten zwischen der Beteiligten zu 7. (Kindesmutter) und ihrer Bevollmächtigten als Verfahrenskosten zu tragen.
Beschluss des AG – FamG Bremen vom 30.10.2019, 65 F 61/18 VKH
Aus den Gründen:
[…] Die Entscheidung ergeht von Amts wegen. Sie erfolgt angesichts des Umfangs und der Bedeutung des Sachverständigengutachtens für das weitere Verfahren aus dem Grundsatz der effektiven Gewährung rechtlichen Gehörs in einem grundrechtsrelevanten Verfahren (Entzug der elterlichen Sorge). […]
Anmerkung
Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe wird grundsätzlich nur auf vorherigen Antrag gewährt, und zwar ‚für die Kosten der Prozessführung‘ (§ 114 Abs. 1 ZPO). Was von den Kosten der Prozessführung umfasst ist, regelt die ZPO nur hinsichtlich der Instanzen und des Zwangsvollstreckungsverfahrens, nicht jedoch für den Verkehr zwischen Verfahrensbevollmächtigter und Mandantin. Für den Bereich der Betreuung gilt nach überwiegender Meinung, dass die Kosten der Hinzuziehung von Dolmetschern zum Gespräch mit der/dem Betreuten durch die gesetzliche Pauschalvergütung abgegolten sind.
Zum Mandantengespräch im Familienrecht gibt es keine Regelung oder höchstrichterliche Entscheidung. Da gibt der Beschluss des Amtsgerichts Bremen in einem Kindschaftsverfahren eine klare Linie vor und orientiert sich dabei an einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2003 (Beschluss vom 27.08.2003 – 2 BvR 2032/01). Dort hat das BVerfG in einem Strafverfahren deutliche Maßstäbe gesetzt. Die Leitsätze lauten:
1. Jeder Ausländer hat im Verfahren vor Gericht der Bundesrepublik dieselben prozessualen Grundrechte sowie denselben Anspruch auf ein rechtsstaatliches Verfahren wie jeder Deutsche.
2. Einem Beschuldigten, der die Gerichtssprache nicht versteht oder sich nicht in ihr ausdrücken kann, dürfen keine Nachteile im Vergleich zu einem dieser Sprache kundigen Beschuldigten entstehen. Deshalb darf ein fremdsprachiger Angeklagter zum Ausgleich seiner sprachbedingten Nachteile in jedem Verfahrensstadium, also auch im Ermittlungsverfahren, einem Dolmetscher hinzuziehen.
3. Die Forderung nach einem förmlichen Antragsverfahren vor Inanspruchnahme eines Dolmetschers durch den Wahlverteidiger ist mit den Grundsätzen eines fairen Verfahrens und dem Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG nicht vereinbar.
Der Beschluss des Amtsgerichts wendet diese Rechtsgrundsätze implizit auf das Familienrecht in einer Verfahrenssituation an, in der Grundrechtspositionen der Verfahrensbeteiligten berührt und regelmäßig komplexe Fragestellungen zu erörtern sind. Auch danach bedarf es keines förmlichen Antrags, die Entscheidung erfolgt vielmehr von Amts wegen. Allerdings scheint es angesichts der Rechtsunsicherheit auf diesem Gebiet in der Rechtspraxis angeraten, eine entsprechende Anregung an das Familiengericht zu richten.
Für weitere positive Entscheidungen auf diesem Gebiet wäre die Redaktion dankbar.
Susanne Pötz-Neuburger